Russland und die Länder des Ölkartells Opec kürzen die Förderung vorerst nicht. Damit werden die Preise erst einmal im Keller bleiben. Erst mittelfristig werden sie womöglich wieder steigen.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Beobachter sind sich einig: die Gespräche zwischen Russland und den Opec-Staaten Saudi-Arabien, Katar und Venezuela über künftige Ölfördermengen waren eine kleine Sensation. Das letzte offizielle Treffen des zweitgrößten Ölproduzenten mit Vertretern des Opec-Kartells liegt 15 Jahre zurück. Seitdem haben es die Konkurrenten nicht geschafft, sich auf Förder- und Exportmengen zu einigen. Dass sie sich Mitte Februar trotzdem wieder an einen Tisch gesetzt haben, ist dem rasanten Einbruch der Ölpreise geschuldet, der die Förderländer vor massive Probleme stellt.

 

Die Ergebnisse des Treffens in Katars Hauptstadt Doha sind allerdings dürftig. Die Hoffnungen auf eine rasche Förderkürzung, die in den Tagen davor bereits zu einer Erholung der Ölpreise geführt hatte, erfüllten sich nicht. Beschlossen wurde lediglich ein Einfrieren der Produktion auf dem Januar-Niveau – und auch das nur unter der Bedingung, dass sich weitere Opec-Länder der Initiative anschließen. Hinzu kommt, dass der Iran seine bisher durch Sanktionen begrenzte Förderung wieder auf das alte Niveau anheben will.

Ein Drittel der US-Ölfirmen steht auf der Kippe

Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) erwartet in ihrem wahrscheinlichsten Szenario, dass die Opec-Länder im laufenden Jahr ihre Produktion weiter moderat steigern, während Nicht-Opec-Länder weniger fördern. So rechnet LBBW-Rohstoffanalyst Frank Klumpp damit, dass die USA ihre Ölförderung um rund sieben Prozent verringern werden.

Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte steht fast ein Drittel der US-Ölförderfirmen vor dem Kollaps. Wegen des Preisverfalls beschert die Ölgewinnung mit der teuren Fracking-Methode den Firmen hohe Verluste. Damit scheint die Rechnung Saudi-Arabiens aufzugehen. Beobachter unterstellen dem weltgrößten Öllieferanten, mit dem Festhalten an einer eigentlich zu hohen Fördermenge auch die US-Konkurrenz schwächen zu wollen. Durch die Ausbeutung von Schieferöl hatten die Amerikaner in den letzten Jahren kräftig Marktanteile gewonnen.

Ein geringes Förderplus gilt als wahrscheinlich

Trotz der Kürzung in den USA hält die LBBW unter dem Strich in diesem Jahr ein globales Förderplus von rund 0,4 Prozent für wahrscheinlich. Dem stünde im Basisszenario ein Nachfrageanstieg von gut einem Prozent gegenüber. Damit würde sich der Angebotsüberhang, der letztlich den Preissturz ausgelöst hat, zumindest verringern. Im vergangenen Jahr stand nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) einer täglichen Förderung von 96,4 Millionen Barrel (159 Liter) eine Nachfrage von 94,4 Millionen Barrel gegenüber.

Der größte Teil des erwarteten Nachfrageanstiegs im laufenden Jahr dürfte nach Einschätzung der LBBW auf das Konto der Schwellenländer gehen. Allerdings mehrten sich zuletzt die Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung des Schwergewichts China. Deshalb hat die Landesbank ihre Ölpreisprognose für Ende 2016 jüngst von 50 auf 45 Dollar pro Barrel reduziert. Auch im kommenden Jahr werde der Preis kaum über 60 Dollar steigen, meint Analyst Klumpp. Damit wäre Öl immer noch fast halb so teuer wie Mitte 2014, als ein Barrel 115 Dollar kostete.

In Technik und neue Vorkommen wird kaum investiert

Mittelfristig könnten die Preise allerdings wieder stärker steigen. Denn Ölkonzerne und Förderländer investieren kaum noch in Fördertechnik oder die Erschließung neuer Vorkommen. Die entsprechenden Ausgaben seien 2015 um 24 Prozent gefallen und würden 2016 nun noch einmal um 16 Prozent abnehmen, hat die IEA errechnet. Einen Investitionsrückgang in zwei aufeinanderfolgenden Jahren gab es zuletzt 1986. Auch Banken sehen Ölprojekte zunehmend kritisch. So hat die US-Großbank JP Morgan jüngst die Risikovorsorge für Kredite an die Ölbranche um eine halbe Milliarde auf gut 1,3 Milliarden Dollar aufgestockt.

„Für die Verbraucher ist es derzeit einfach, sich durch die niedrigen Preise einlullen zu lassen, aber sie sollten die Signale nicht überhören“, warnte IEA-Chef Fatih Birol vergangene Woche bei der Vorstellung des mittelfristigen Ölmarkt-Reports in Houston. Er sieht für Anfang 2017 das Ende des Preissturzes voraus. „Dann sollte der Markt beginnen, sich wieder auszubalancieren.“

Wohin sich der Ölpreis in den kommenden Jahren entwickeln wird, hängt aber auch von umweltpolitischen Weichenstellungen ab. Würden etwa CO2-Emissionen höher besteuert oder Fahrverbote für Autos mit Verbrennungsmotor in großen Städten verhängt, fiele ein Teil des bisherigen Ölbedarfs weg. Dafür stiegen die Marktchancen von Elektroautos, die derzeit wegen der niedrigen Spritpreise besonders unattraktiv sind. Rund 45 Prozent des Rohölverbrauchs gehen bisher nach Angaben der LBBW auf das Konto des Straßenverkehrs.