Keiner macht freiwillig seine Arbeit schlecht. Jeder Sportler, die Gedopten ausgenommen, tritt an, um alles zu geben. Und was geben wir zurück? Manchmal wenig genug.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Toni Minichiello ist in Liverpool geboren worden, aber nicht im Liverpool der Beatles, sondern im Südwesten von Australien, da gibt es noch eines. Er war ein sehr erfolgreicher Rugby-Spieler da unten, und später ist er ein noch erfolgreicherer Siebenkampf-Trainer bei den Frauen geworden, genauer gesagt der Coach der Londoner Olympiasiegerin Jessica Ennis. Minichiello hat also jetzt eigentlich auch ein wenig Gold mit gewonnen, wenn man so will. Und Großbritannien will das unbedingt so. Wenn man ein bisschen zusammenpuzzelt, was im Netz, im Radio, im Fernsehen und in den Zeitungen zum Thema Jessica Ennis erschienen ist, dann wird ihre Geschichte eigentlich immer gleich erzählt: es ist die Gewinner-Geschichte, eine Geschichte von jemandem, der es im Vereinigten Königreich geschafft hat – und zwar mit vielerlei verschiedenen Wurzeln und Bindungen. Jessica Ennis’ Mutter ist dabei die englische Konstante, sie stammt aus Derbyshire – „a very british heroine“, wie der „Guardian“ schreibt. Der Vater ist Jamaikaner. Jamaika hat im Moment in den Ohren vieler Leute einen sehr guten Klang, aber das war nicht immer so - und war vor allem in England nicht immer so.

 

Jessica Ennis hat kontinuierlich an sich gearbeitet, von der U 18 an ging ihr Weg stetig (und wenig von Verletzungen unterbrochen) auf die jeweiligen Treppchen zu: Universiade 2005, Commonwealth Games 2006, Weltmeisterin in Berlin 2009 und Europameisterin 2010 in Barcelona. Nebenher, nicht nebenbei, machte sie ihren Abschluss in Psychologie an der Universität. Und für den allerletzten Aufschwung Richtung London sorgte dann Toni Minichiello.

Schnell wendet sich die jubelbereite Öffentlichkeit ab

Wie schnell die bei Siegen immer gleich flächendeckend jubelbereite Öffentlichkeit sich abwenden kann, hat Ennis aber auch erfahren. Als sie 2011 „nur“ Zweite wurde bei den Siebenkampf-Weltmeisterschaften, machten, vor allem auf dem Boulevard, schnell Gerüchte die Runde, sie trainiere einfach nicht genug - und sei zu dick. „Druck“, schreibt dazu ihr Coach Toni Minichiello in „Coach’s Corner“, fühlten aber nicht nur die Athleten und die Trainer; sondern auch die Offiziellen. Minichielleo sagt, dass es seine Hauptaufgabe sei, den Druck im Kopf seiner Schätzlinge erst gar nicht zuzulassen, erst dann lasse sich befreit arbeiten. Und zuerst, schreibt er weiter, sei es wichtig, auch im Falle von Misserfolgen, alles Positive zu erwähnen. Ohne dies gebe es keine Chance, Fehler zu verbessern. Schließlich mache keiner absichtlich seine Arbeit schlecht, nicht bei Olympia, so viel müsse klar sein.

Wenn es nur so wäre. Als die deutschen Schwimmer aus dem Becken im Aquatics Center stiegen, wo von daheim her Medaillen „eingeplant“ waren, sahen sich die Sportler mit einem immer noch respektloser werdenden medialen Inquisitionsgericht konfrontiert. Dabei hätten Teile der Anklage, Franziska von Almsick zum Beispiel, nur zu gut gewusst, wie das ist, wenn im entscheidenden Moment nicht das Gewünschte zusammengeht. Fair Play endet wohl nicht mit dem Wettkampf.