Wenn die Konsumenten nicht zur Beratung kommen, dann muss es eben umgekehrt gehen: Die Macher des Anti-Drogen-Projekts „Take“ machen sich auf in Stuttgarter Szeneclubs.

Stuttgart - Das „Safer Sniffing“-Set ist eine hygienische Sache. In einem durchsichtigen Plastiktütchen verpackt findet sich ein durchsichtiges Schnüffel-Röhrchen mit abgerundeten Rändern. Dazu gibt es Alkoholtupfer und ein großes Blatt mit Informationen. Solche Sets sollen verhindern, dass Drogenkonsumenten sich oder andere beim nasalen Konsum von Drogen mit einer Infektionskrankheit anstecken. Außerdem soll das Risiko von Verletzungen der Nasenschleimhaut reduziert werden. Mit solchen Sets gehen die Mitarbeiter der neuen Projekts „Take“ jetzt in die Clubs und informieren Konsumenten von Partydrogen über die möglichen Gefahren, die nur selten bedacht werden.

 

Gestartet ist „Take“ im Januar 2015, doch die Idee entstand bereits 2013 in der Drogenberatung Release. Hintergrund ist, dass mehr als die Hälfte der Drogenkonsumenten in Baden-Württemberg Amphetamine nutzen, viele auch Ecstasy. Doch diese Konsumenten würden mit der ambulanten Drogenberatung zu wenig erreicht, erklärte Nicole Benz, eine von drei 50-Prozent-Kräften bei „Take“, beim Pressegespräch am Montag.

Viele junge Menschen experimentieren mit Drogen

In Stuttgart hätte mehr als jeder vierte Zwölf- bis 25-Jährige schon Erfahrungen mit Drogen gemacht, insgesamt mehr als 18 000 Menschen. „Oft ist es eine Phase des Ausprobierens, die mit 30 endet“, so Benz.

Ziel des Suchtpräventionsprojekts ist es, über Risiken aufzuklären, und so zu einem bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit den Rauschmitteln beizutragen. Eine Bedarfsanalyse habe 2013 gezeigt, dass Aufklärung erwünscht sei, etwa mit Infoständen zum sichereren Gebrauch von Drogen, glaubwürdigen Informationen zu verschiedenen Pillen und Pulvern, Inhaltsanalysen illegal erworbener Substanzen und einem informativen Internetauftritt.

Während die Internetseite seit kurzem unter der Adresse www.take-stuttgart.de geschaltet ist, wird aus der gewünschten Inhaltsanalyse – auch „Drug-Checking“ genannt – vorerst nichts. Grund sei die deutsche Gesetzgebung, machte der Release-Geschäftsführer Ulrich Binder deutlich. Wer illegale Substanzen analysieren wolle und sie dazu in Besitz nehme, mache sich selbst strafbar. Sie würden sich deshalb für eine politische Veränderung nach österreichischem oder schweizerischem Vorbild einsetzen. „Aber so etwas braucht Zeit.“

Info-Stand mit Liegestühlen und Traubenzucker

Zugang zu den Clubs zu bekommen, sei nicht immer einfach, sagten die Verantwortlichen. Einige Betreiber von Clubs seien sehr engagiert, aber: „Manchmal muss man auch hartnäckig bleiben“, betonte „Take“-Mitarbeiterin Friede Kimuli. Binder äußerte die Hoffnung, dass sie irgendwann als „Qualitätssteigerung“ wahrgenommen werden. Ihr Infostand wirkt eher wie ein Ort zum Chillen. Liegestühle stehen bereit, auf den Tischen liegen neben Informationszetteln auch Kaugummis, Traubenzucker und Obst. Gespräche sind erwünscht. In Clubs sei die Situation nicht viel anders als etwa beim Volksfest, erläuterte Kimuli. Es gebe immer Leute, die einfach nur so viel wie möglich konsumieren wollten, aber daneben auch welche, die sich ernsthaft Gedanken machten. Und es gebe besonders gut aufgeklärte Insider, die sie gerne als Brückenbauer für ihr Projekt schulen möchten.

Das Projekt „Take“ ist zunächst auf drei Jahre. Die Kosten von jährlich 125 000 Euro würden bis Ende 2017 weitgehend über Sponsorengelder finanziert. Bislang waren die Berater in zwei Clubs aktiv. Dort hätten sie rund 550 Menschen erreicht und 94 Beratungsgespräche geführt. Neue Kontakte seien bereits geknüpft, und mit der Bekanntheit werde auch die Nachfrage steigen, sind die Verantwortlichen fest überzeugt.

Die Reaktionen der Partygänger auf das neue Angebot seien sehr positiv, vor allem auf die Pilleninfos und die „Safer-Sniffing“-Packs. Viele würden sich richtig Zeit nehmen, sich zu informieren, sagte Kimuli. Vom erhobenen Zeigefinger halten sie und ihre Kollegen dabei nicht viel. Und Binder stellte klar: „Die Entscheidung liegt immer beim Konsumenten. Die nehmen wir niemandem ab.“