Der Walldorfer Softwarekonzern wird von Mai 2014 an nur noch von einem Chef geführt.

Nachrichtenzentrale: Andreas Schröder (sö)

Frankfurt - Vor dreieinhalb Jahren hat SAP die Doppelspitze mit zwei Vorstandssprechern eingeführt. Von Mai kommenden Jahres an wird der US-Manager Bill McDermott der alleinige Chef des Walldorfer Softwarekonzerns sein. Sein derzeitiger Co-Chef Jim Hagemann Snabe räumt seinen Stuhl vorzeitig. Der Vertrag wäre noch bis 2017 gelaufen. Hagemann Snabe begründete seinen Rückzug mit dem Wunsch, mehr Zeit für sein Privatleben haben zu wollen. „Nach über 20 Jahren bei SAP habe ich entschieden, einen neuen beruflichen Lebensabschnitt zu beginnen, der es mir erlaubt, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen“, sagte der Manager in einer Telefonkonferenz. Er habe den SAP-Gründer und Aufsichtsratsvorsitzenden Hasso Plattner um die vorzeitige Auflösung seines Vertrages gebeten.

 

Die Frau Hagemann Snabes und seine beiden Kinder leben in der Nähe von Kopenhagen. Der 47-jährige Däne ist seit 1990 bei SAP und hat sich vom Trainee zum Konzernchef hochgearbeitet. Der für die internen Abläufe und die Produktentwicklung zuständige Co-Chef soll im Mai 2014 ausscheiden und auf der Hauptversammlung direkt in den Aufsichtsrat des Unternehmens gewählt werden. Das hat ihm Plattner vorgeschlagen.

Der Softwarehersteller hatte die Entscheidung am Sonntagabend angekündigt. Bei der Telefonkonferenz am Montagnachmittag erläuterten Plattner und die beiden Co-Chefs die Entscheidung. „Dieses Co-Vorstandsmodell funktionierte fabelhaft. Aber es funktionierte nur in dieser speziellen Besetzung“, sagte Plattner. Wenn Hagemann Snabe geht, werde er keinen Nachfolger haben. „Künftig machen wir mit einem einzigen Vorstandschef weiter.“ „SAP wird mit Bill (McDermott) als visionärer Führungspersönlichkeit und alleinigem Vorstandssprecher in guten Händen sein“, ergänzte der Aufsichtsratschef.

Plattner, der die Doppelspitze installiert hatte, versuchte vehement Bedenken zu zerstreuen, Deutschland und speziell der baden-württembergische Konzernstandort Walldorf würden an Bedeutung verlieren. Gleichwohl sei SAP kein deutscher, asiatischer oder amerikanischer Konzern, sondern weltweit orientiert. Mit dem Weggang Hagemann Snabes nehme der Anteil der Europäer im Vorstand weiter ab, stellte der Betriebsrat in Walldorf fest. Die Arbeitnehmervertreter sehen dies als Schwächung des Standorts Deutschland. Auch auf der diesjährigen Hauptversammlung diskutierten die Aktionäre das Thema, ob sich SAP zusehends in die Vereinigten Staaten verlagern könnte. Anzeichen dafür sehen die Beschäftigten in Walldorf: Im Mai hatte SAP die Leitung seiner Kommunikationsabteilung ins kalifornische Palo Alto verlegt. Dort sind mittlerweile auch wichtige Entwicklungsbereiche. Und während McDermott bisher von den USA aus arbeitet, ist Hagemann Snabe oft in Walldorf gewesen. McDermott bemühte sich deshalb, dem Thema die Brisanz zu nehmen: „Ich werde künftig mehr Zeit in Deutschland verbringen“, sagte er in der Telefonkonferenz.

Das Personalkarussell bei SAP dreht sich derzeit rasant. Mit Hagemann Snabe verliert der Konzern einen weiteren Topmanager im Tagesgeschäft. McDermott und der Däne waren 2010 von Plattner an der Spitze installiert worden, als Nachfolger des alleinigen Chefs Léo Apotheker. Erst im Juni musste SAP zwei Abgänge verkraften: Der für das Cloud-Computing zuständige Vorstand Lars Dalgaard ging ebenso wie die Personalchefin Luisa Delgado.

Der geplante direkte Wechsel Hagemann Snabes vom Vorstand in den Aufsichtsrat löste prompt Kritik aus. Die Aktionärsschützer der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) „sind strikt dagegen“, wie das Vorstandsmitglied Daniel Bauer sagte. Die Schutzgemeinschaft forderte eine zweijährige Wartezeit vor einem Wechsel in das Kontrollgremium. Damit solle vor allem sichergestellt werden, dass Ansprüche aus möglichen Pflichtverletzungen von ehemaligen Vorstandsmitgliedern vom Aufsichtsrat geprüft würden. Auch der Corporate-Governance-Kodex für gute Unternehmensführung sehe eine zweijährige „Abkühlungsphase“ vor.

Rechtlich ist der direkte Wechsel des Co-Chefs in den Aufsichtsrat allerdings nicht zu beanstanden: Wenn ein Wahlvorschlag von mindestens 25 Prozent der Stimmrechte unterstützt wird, ist der Weg in das Kontrollgremium frei. Die Gründer von SAP halten zusammen immer noch 22,7 Prozent der Stimmrechte, Aufsichtsratschef Hasso Plattner hat davon alleine fast zehn Prozent. Weitere drei Prozent der Aktien hält das Unternehmen selbst.