Erdbebensicheres Bauen ist eine der wichtigsten Vorsorgemaßnahmen für künftige Großräume. Die Bauweise ist keine Idee der Moderne, wie man im von Beben reichlich heimgesuchten Japan erkennen kann.

 

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Baden-Württemberg gehört zusammen mit Nordrhein-Westfalen zu den am stärksten von Erdbeben betroffenen Ländern in Deutschland. Diese geologischen Großereignisse können nicht verhindert werden, und trotz langer Forschung ist bisher auch eine genaue Vorhersage nicht möglich. Besseren Schutz kann es in einer absehbaren Zukunft deshalb vorerst nur durch den Bau erdbebensicherer Gebäude geben. Baden-Württemberg hat deshalb bereits in den Achtzigerjahren eine - seither in mehreren Fassungen erneuerte - eigene Norm für „Bauten in deutschen Erdbebengebieten“ (DIN 4149) eingeführt.

Erdbebensicheres Bauen ist keine Idee der Moderne, wie man im von Beben reichlich heimgesuchten Japan auch an manchen tausendjährigen Tempeln erkennen kann. Dort sind die Stockwerke an einem in der Mitte stehenden Pfahl aufgehängt, der tief in die Erde gerammt ist. Bei einem Beben schwingt der Pfahl hin und her, die Stockwerke verschieben sich ineinander, aber das Gebäude an sich bleibt erhalten. Aus diesen traditionellen Ideen haben sich inzwischen zukunftsweisende Konzepte entwickelt.

Als sich am 11. März 2011 vor der japanischen Ostküste eine schwerste Erdbebenkatastrophe ereignete und die Bebenwellen eine halbe Stunde später Deutschland erreichten, hob und senkte sich auch der Boden unter dem Kölner Dom um einen Zentimeter. Das Bauwerk blieb unbeschädigt – wie bei allen Erdbeben seit Baubeginn im Jahr 1248. Seismologen fanden heraus, dass die Eigenschwingung des Doms nicht mit den Frequenzen übereinstimmt, wie sie bei Erdbeben vorkommen. Eine Brücke etwa kann schon durch Schwingungen zum Einsturz gebracht werden, die im Gleichschritt marschierende Soldaten verursachen. Die Dombaumeister hatten intuitiv erdbebensicher gebaut.

Futonpositionen und Tilgerpendel

Acht der zehn bevölkerungsreichsten Städte der Welt liegen in einer geologischen Verwerfungslinie, darunter New York und Tokio. Während der durch die Erdstöße ausgelöste Tsunami an der japanischen Küste immense Schäden verursachte, verlief das Beben im Landesinneren verhältnismäßig glimpflich. In Tokio schwankten nur ein paar Hochhäuser – und das sollten sie auch.

Die modernen, strengen Bauvorschriften in dem Inselreich umfassen schon heute den Einsatz von Baumaterialien, die sich bei Überbelastung plastisch verformen. Bauten mit Stahlskelett können selbst schwerste Erdbeben überstehen. Hochhäuser werden durch den Einbau von beweglichen oder stoßgedämpften Fundamenten, und mit riesigen Schwingungsdämpfern unter dem Dach gesichert. Bei einem Erdbeben wird das Gewicht elektrohydraulisch im Gegentakt zur Eigenschwingung des Hauses bewegt. Das weltgrößte solche Tilgerpendel befindet sich im 508 Meter hohen „Taipei 101“ in Taiwan - in den obersten Stockwerken hängt eine 660 Tonnen schwere Kugel. Sie pendelt bei Erdstößen an Stahlseilen im Gegentakt, fängt so die gefährlichen Schwingungen ab und hält das Hochhaus im Lot. Bis zu 200 Mal pro Jahr bebt hier die Erde, trotzdem gilt der Gigant als bebensicher.

Es ist nicht das Erdbeben, das tötet

Zu den einfachen Maßnahmen zum Erdbebenschutz gehören Kunststoffnetze unter dem Fassadenputz, die ähnlich wie Verbundglasscheiben funktionieren und verhindern, dass herausgebrochene Teile eines Gebäudes unkontrolliert auf die Straße fallen. Auf die Innenarchitektur angewandt, heißt das: in japanischen Wohnungen werden die Futons so ausgelegt, dass keine Möbel daneben stehen, die einen erschlagen könnten. Jedes Kind in Japan weiß, dass es nicht das Erdbeben ist, das Menschen tötet, sondern fallende Gegenstände und kollabierende Gebäude.

Welche fatalen Folgen ein Erdbeben im Weiteren nach sich ziehen kann, hat die Katastrophe von 2011 in Japan anschaulich gemacht. Nachdem die Dieselgeneratoren der Notstromversorgung, von dem 14 Meter hohen Tsunami überflutet, ihren Geist aufgegeben hatten, kam es im Kernkraftwerk Fukushima I in mehreren Reaktorblöcken zum Ausfall des Kühlsystems, woraufhin das Kühlwasser verdampfte und sich Knallgas bildete, das explodierte und die Sicherheitshüllen der Reaktorblockgebäude aufriss.

Einen Monat nach dem Erdbeben, am 12. April 2011, stufte die japanische Regierung den Unfall auf Stufe 7 der „International Nuclear Event“-Skala (INES) hoch. Bis dahin hatte nur die Katastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 diese höchste Einstufung erhalten.

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Und hier noch, wie immer, der Tweet der Woche: