Der Forscher Klemens Pütz ergründet das Verhalten von Pinguinen mit einer Klebebandtechnik. Die Hightechgeräte senden wichtige Daten.

Stuttgart - Routiniert schnappt sich Klemens Pütz einen Königspinguin und legt ihn auf den Bauch. Vorsichtig hebt der Biologe das Federkleid an und positioniert am Rücken einige Streifen schwarzes Tesaband. Eine Viertelstunde später ist der Pinguin fertig präpariert: Über einen Satellitensender samt flexibler Antenne wird er in den kommenden Monaten wichtige Daten ins Orbit funken.

 

"Das Anbringen der Sender ist für die Tiere absolut schmerzlos. Die kleinen Hightechgeräte stören Pinguine weder beim Schwimmen noch irritieren sie Artgenossen", sagt Klemens Pütz. Seit mehr als zwei Jahrzehnten wendet er diese immer wieder von ihm perfektionierte Methode an, um Aufschluss über das Wander- und Tauchverhalten der flugunfähigen Meeresvögel zu erlangen. Auch bei der Erforschung anderer Vogelarten hat sich das Verfahren durchgesetzt und Eingang in die wissenschaftliche Fachliteratur gefunden.

Deutschlands einziger Pinguinforscher

"Wenn die etwas unbeholfen wirkenden Meeresvögel brüten, kann man sie gut beobachten. Ihr Leben bis zu 500 Meter unter der Wasseroberfläche steckt jedoch noch voller Geheimnisse", sagt der Forscher. Einige Rätsel konnte Deutschlands einziger Pinguinforscher, der sich ausschließlich diesem Themengebiet widmet, bereits lösen.

Vor zwei Jahren rüstete der 51-jährige Familienvater aus Bremervörde je zehn Humboldt- und Magellan-Pinguine im Anschluss an die Mauser mit Satellitensendern aus, um ihre Wanderungen zu Beginn des Südwinters (wenn auf der Südhalbkugel der Erde Winter herrscht) zu verfolgen. Der Untersuchungszeitraum für alle Tiere betrug insgesamt 949 Tage. Das Ergebnis: die durchschnittlich zurückgelegte Distanz war bei Magellan-Pinguinen täglich 22 Kilometer, das Maximum 115 Kilometer. Die größte Entfernung zur Kolonie schwankte zwischen sechs und beachtlichen 1036 Kilometern - auch eine Folge der enormen Überfischung.

Hohe Belastung durch Salzwasser

"Um aussagekräftige Daten zu erhalten, ist es wichtig, dass der Kontakt zu den Pinguinen möglichst lange bestehen bleibt", erklärt der Meereszoologe. Zahlreiche "Gewebebandgeräte" hielten bis zu einem Jahr den hohen Belastungen von Salzwasser, Strömung, Kälte und Reibung stand, bevor die Sender während der Mauser abfielen. Auch in finanzieller Hinsicht würden frühzeitige Verluste einen erheblichen Schaden verursachen: Satellitensender kosten 1500 Euro. Die alternativ eingesetzten GPS-Logger schlagen mit etwa 500 Euro zu Buche. Diese zeichnen Daten wie Tauchtiefe und -dauer sowie Umgebungstemperatur auf.

"Nahe der Pinguinkolonie lassen sich anschließend alle Informationen via Laptop bequem auslesen", erklärt Klemens Pütz die moderne Technik. Nur etwa zehn Prozent GPS-Logger gingen verloren.

Gründer des Antarctic Research Trust

Schon als Kind konnte sich der selbstständige Biologe fürs Federvieh begeistern. "Im Elternhaus habe ich Papageien gezüchtet", sagt er. Nach dem Abitur fing Pütz als Tierpfleger im Frankfurter Zoo an. Es folgte ein Biologiestudium an der Universität Berlin, bis er 1989 die Chance erhielt, als wissenschaftlicher Mitarbeiter in die deutsche Pinguin-Forschergruppe am Kieler Institut für Meereskunde zu wechseln. Im Anschluss an seine Promotion lebte und arbeitete Klemens Pütz vier Jahre lang auf den Falklandinseln. Nebenbei leitete er zahlreiche Expeditionsreisen von zahlungskräftigen Touristen durch das Südpolarmeer.

Doch damit nicht genug: im Jahr 1997 gehörte der international bekannte Pinguinexperte zu den Gründern des Antarctic Research Trust - das ist eine Stiftung, die sich der Erforschung und dem Schutz der Tiere in der Antarktis verschrieben hat. Dieser Organisation ist Klemens Pütz bis heute als wissenschaftlicher Direktor eng verbunden.

Wenngleich sich der Norddeutsche ein Leben ohne die liebenswerten "Frackträger" kaum noch vorstellen kann, so weiß er doch eines ganz genau: Als männlicher Pinguin wiedergeboren zu werden, möchte Klemens Pütz auf keinen Fall. "Sechs Monate fasten, um bei minus 30 Grad Eier auszubrüten, das wäre mir viel zu stressig."

Im Auftrag der Meeresvögel

Sender: Mit mehreren Streifen Tesaband fixiert der Forscher Klemens Pütz einen Satellitensender stromlinienförmig auf dem Pinguinrücken. Im Vergleich zu anderen Methoden wie beispielsweise dem Anbringen von Markierungsbändern an den Flossen wird der Bewegungsablauf des Vogels nicht beeinträchtigt.

Forscher: Klemens Pütz ist ein Vogelfan mit Leib und Seele. 1993 promovierte er an der Universität Kiel. Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit ist bis heute das Wander- und Tauchverhalten von Pinguinen im Südpolarmeer. Bereits mehr als 25-mal forschte er auf den Falklandinseln.

Patenschaften: Über den Antarctic Research Trust, einer Stiftung, die sich der Erforschung und dem Schutz der Tiere in der Antarktis verschrieben hat, sind auch Patenschaften für Pinguine möglich. Sponsoren können zum einen die 1500 Euro teuren Klebebandsender, zum anderen die Satellitengebühren von etwa zehn Euro pro Tag und Tier bezahlen. Im Gegenzug dürfen alle Pinguinpaten das Wanderverhalten „ihres“ Tieres im Internet verfolgen.