Der 29-jährige Gesundheits- und Krankenpfleger Dominic Steinbrenner macht seinen Job mit Leidenschaft – auch in der Coronapandemie. Er meint aber auch: Die in diesen Zeiten entwickelte Applauskultur sollte langfristige Auswirkungen haben.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Winnenden - Er zählt ganz sicher zu den Helden der Coronakrise, in der ersten Welle der Pandemie stand er als Teamleiter in der Notaufnahme der Winnender Rems-Murr-Klinik mit an vorderster Front. Doch im digitalen Talk mit der Waiblinger FDP-Landtagskandidatin Julia Goll stellt Dominic Steinbrenner klar: „Ich spreche hier nicht für oder über meinen Arbeitgeber, sondern für mich.“

 

Wie lang hält die Applauskultur an?

Oder besser gesagt für seinen Berufsstand, denn der 29-jährige Gesundheits- und Krankenpfleger, zurzeit kommissarischer Pflegedienstleiter in der Kardiologie, hat sich vorgenommen, sich auch politisch für Verbesserungen der Rahmenbedingungen seiner „Zunft“ einzusetzen. Die Coronapandemie habe zwar durchaus einige Aufmerksamkeit auf den bis dato eher stiefmütterlich behandelten Bereich der Gesundheitsversorgung gelenkt und auch gesellschaftliche Anerkennung gebracht. Aber wichtig wäre, sagt Steinbrenner, dass diese neue Applauskultur auch längerfristige Auswirkungen hat.

Denn natürlich sei die Situation für Pflegekräfte unter Coronabedingungen zum Teil extrem. Aber belastende Situationen seien in deren alltäglicher Arbeit auch in normalen Zeiten immer wieder gegeben. „Wenn ein Patient stirbt, zu dem man eine Beziehung aufgebaut hat, ist das immer hart.“ Während des strikten Besuchsverbots in der Corona-Hochphase hätten die Kollegen zudem noch vieles auffangen müssen, was sonst die Angehörigen übernommen hätten. Hinzu kamen auch Ängste, sich selbst infizieren zu können. Und sich nach Feierabend auf ein Bier mit einem Kollegen zu treffen, um darüber zu reden, war zu allem Überdruss nicht möglich.

Ein Nebenjob dürfte nicht nötig sein

Aber es geht Dominic Steinbrenner gar nicht um die Ausnahmesituation Corona, auch nicht um den Hick-Hack um eine einmalige monetäre Anerkennung. „Die ist zwar nett, aber nicht weitsichtig und wiegt eine gesellschaftliche Anerkennung nicht auf“, sagt der junge Mann, der seit zwölf Jahren – und, wie er betont, sehr gerne – als Pflegefachkraft arbeitet. Auch an einem Rund-um-die-Uhr-Schichtbetrieb in einem Krankenhaus lässt sich seiner Meinung nach nichts ändern. Wohl aber an allgemeinen Rahmenbedingungen, die den aufreibenden, verantwortungsvollen Job besser in Einklang mit einem (Familien-)leben bringen lassen. „Ich habe von Kollegen aus anderen Bereichen gehört, die noch einen Nebenjob angenommen haben, um sich etwas leisten zu können. Keiner rechnet damit, in einem Porsche zum Dienst fahren zu können. Aber das dürfte nicht sein“, sagt Steinbrenner.

Nicht nur eine angemessene Entlohnung sei wichtig, auch müsse der „Arbeit am Patienten“ mehr Zeit eingeräumt werden, ebenso einer guten Ausbildung und Aufstiegsmöglichkeiten im Job. So manches lasse sich vielleicht auch durch die Digitalisierung gewinnen, etwa bei der Dokumentation, aber der Politik müsse klar sein, dass in gute Pflege eben auch investiert werden müsse.

Eine Pflegekammer für eine bessere Lobby?

Eine bessere Perspektive und mehr Anerkennung für die Pflegeberufe, fasst Dominic Steinbrenner seine Mission zusammen. Warum darüber erst in der Coronakrise öffentlich intensiver diskutiert wurde? Vielleicht, weil es an einer institutionalisierten Lobby fehle, meint Dominic Steinbrenner und bringt eine Pflegekammer analog zu der Berufsvertretung der Ärzte in die Diskussion.

Und sicherlich mehr Menschen wie Dominic Steinbrenner, die aus der Praxis berichten. Die Landtagskandidatin Julia Goll jedenfalls hat sich nach dem Gespräch mit dem jungen Mann, der ihr eher zufällig empfohlen worden war, durchaus beeindruckt gezeigt. Sie werde davon in ihrer politischen Arbeit sicherlich einiges an Denkanstößen mitnehmen, versichert sie im Nachgespräch.