Die Stadt Caivano bei Neapel ist als Hochburg der Camorra und des Drogenhandels berüchtigt. Ministerpräsidentin Gioorgia Meloni hat eigens ein „Caivano-Dekret“ erlassen, um die grassierende Gewalt von Jugendbanden einzudämmen. Doch kann eine Polizei-Razzia die Probleme lösen?

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Nachdem in der süditalienischen Problem-Stadt Caivano zwei minderjährige Mädchen von Jugendbanden vergewaltigt worden waren, hat die Polizei jetzt neun Mitglieder einer Jugendbande festgenommen. Bei ihnen handele es sich um sieben Minderjährige sowie zwei Erwachsene, wie die Staatsanwaltschaft von Neapel am Dienstag (26. September) mitteilte. 

 

Sie werden demnach verdächtigt, die beiden Cousinen missbraucht und die Tat mit ihren Handys gefilmt zu haben. Das Alter der beiden Mädchen wird mit elf und 13 angegeben. Die Vorfälle in der Stadt lösten große Empörung aus. Caivano hat rund 36 000 Einwohner und liegt in der Metropolitanstadt Neapel. Die Ortschaft ist circa 13,5 Kilometer von Neapel entfernt und ist in ganz Italien für ihre Mafia-Aktivitäten und Jugendkriminalität berüchtigt.

DON PATRICIELLO DOPO GLI SPARI A CAIVANO: “LA CAMORRA STA SFIDANDO LO STATO, LE ISTITUZIONI NON POSSONO RETROCEDERE”#ilPeggior_GOVERNO_diSempre #governodiincapaci #paesedimerda pic.twitter.com/ZSivNQRCyb

Hochburg des Drogenhandels und der Camorra

Das Standbild aus einem Video der Polizia di Stato zeigt Polizeiwagen auf einem großen Platz. Foto: Polizia di Stato/dpa
Erinnerung an eines der beiden Vergewaltigungsopfer. Foto: Imago/Ciro Fusco
Caivano -hier der Stadtteil Parco Verde – sieht nach außen friedlich aus, doch hinter der Fassade toben Bandenkriege und herrscht ein florierender Drogenhandel. Foto: Imago/Italy Photo Press

Die Stadt war wie viele Vorstädte im Norden Neapels ein Zentrum der Textilproduktion. Seitdem in den 1990er Jahren viele Fabriken geschlossen wurden, ist Caivano stark von Arbeitslosigkeit und sozialen Problemen betroffen. Vor allem der Stadtteil Rione Parco Verde ist als Hochburg des Drogenhandels und der Camorra berüchtigt.

Caivano entstand nach dem Erdbeben von 1980 entstand. Hier leben viele Erdbebenopfer und Obdachlose aus verschiedenen Teilen Süditaliens.

Mord und Vergewaltigung durch Jugendbanden

Anwohner demonstrieren gegen die Gewalt in ihrer Stadt. Foto: Imago/Abaca Press
Anwohner beobachten die Polizeirazzia vor dem Besuch von Ministerpräsidentin Meloni. Foto: Imago/Ciro Fusco

Einer ersten Rekonstruktion der Ermittler zufolge sollen die Jugendlichen die beiden Mädchen Anfang Juli in ein verlassenes Sportzentrum in dem berüchtigten Viertel Parco Verde gelockt und dort vergewaltigt haben. Die Tat sollen sie demnach mit Handys gefilmt haben.

Italienischen Medienberichten zufolge soll die Gruppenvergewaltigung während eines Live-Videoanrufs verbreitet worden sein. Wie sich nun herausstellte, sollen die Mädchen bereits in der Vergangenheit von den Tätern an anderen Orten missbraucht worden sein.

Italiens ultrarechte Regierungschefin Giorgia Meloni besuchte die Gemeinde später unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und sprach von einer „unmenschlichen Tat“, die ganz Italien schockiert habe.

Melonis Caivano-Dekret

Giorgia Meloni bei ihrer Pressekonferenz in Caivano. Foto: Imago/Cesare Abbate
Die verstärkte Polizeipräsenz hat bisher noch nicht viel gebracht. Foto: Imago/Fabio Sasso

Erst kürzlich kam es zu neuen Zwischenfällen. So feuerten am 12. September nachts Jugendliche mit Maschinengewehren und Pistolen auf den Boden und geparkte Autos. Die Präsidentin der Parlamentarischen Antimafia-Kommission, Chiara Colosimo, bezeichnete die Vorfälle als „mafiöse Arroganz“.

Melonis Regierung erließ daraufhin das „Caivano-Dekret“, das eine härtere Gangart für junge Straftäter vorsieht. So sollen etwa Jugendliche ab 14 Jahren bereits in Untersuchungshaft genommen werden, wenn ihnen eine Höchststrafe von sechs Jahren droht.

Stimmung spitzt sich zu

Pfarrer Don Maurizio Patricello wird von der Camorra bedroht. Foto: Imago/Fabio Sasso
Auf den Straßen türmen sich die Müllberge. Foto: Imago/Fabio Sasso

Die Stimmung im Ort hatte sich zuletzt immer weiter zugespitzt. Vor gut zwei Wochen wurde eine Großrazzia durchgeführt. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni besuchte darauf den Ort auf Einladung von Don Maurizio Patricello, Pfarrer der Gemeinde Chiesa di San Paolo Apostolo in Rione Parco Verde.

Zuvor hatte der als Anti-Mafia-Pfarrer über Neapel hinaus bekannte Priester an Meloni geschrieben, um sie in den Parco Verde einzuladen. Hier, in dem „vom Staat verlassenen“ Ort – wie Don Patricello schreibt – wurden die beiden elf und zwölf Jahre alte Cousinen auch vergewaltigt. Und: Giorgia Meloni hatte tatsächlich zugesagt.