„Clockwork Orange“: Der Film von Stanley Kubrick ist Kult. Nun bringt das Stuttgarter Theater die Geschichte um vier lustvoll gewalttätige Jungen auf die Bühne.

Stuttgart - Vier Buben räkeln sich auf einem Sofa und lassen keinen Zweifel daran, wie sie zur Welt stehen. Sie zucken aggressiv, rülpsen und grölen. Vier junge Hunde, die aber nicht niedlich sind, sondern derb gewalttätig. Sie malträtieren einen Obdachlosen, misshandeln einen Schriftsteller und vergewaltigen dessen Frau. Später tötet Alex, der fünfzehnjährige Anführer, eine Villenbesitzerin. Warum das alles? Ganz einfach, weil’es Spaß macht. „A Clockwork Orange“ heißt der gut vierzig Jahre alte, berühmte Film von Stanley Kubrick, gedreht nach dem gleichnamigen Roman des Briten Anthony Burgess. Das Theater der Altstadt hat nun eine Bühnenfassung des Romans erarbeitet.

 

Man schaut hier in eine Art Bandprobenraum mit Instrumenten, Gitarren, Keybord und Schlagzeug. An den Wänden hängen Kostüme, denn die vier Schauspieler spielen an diesem Abend alles Mögliche: Opfer der bösen Buben, aber auch Bewährungshelfer, Ärztinnen, Politiker. Stefan Nászay, der Darsteller des George, ist sehr souverän komisch, man sieht ihm geradezu mit Genuss zu. Mehrfach agiert er in Frauenrollen. Christine Brunner (Ausstattung) hat die Akteure schön schräg eingekleidet.

Aber worum geht es? Alex (hervorragend: Dominik Knapp als durchtriebenes und zugleich sympathisches Bürschchen), der Anführer der ekligen Viererbande, ist im Grunde ein Opfer. Er ist Opfer seiner Triebe, die ihn ins Gefängnis bringen. Später ist er ein Opfer von psychologischen Experimenten, die ihm das Böse austreiben sollen. Eine neumodische Therapie, die ihn mit seinen Taten konfrontiert, scheint zu heilen. Burgess präsentiert eine Gesellschaft, die sich hysterisch vom Bösen befreien will. Wie kommt das Böse in die Welt – und wie schaffen wir es wieder hinaus?

Drastische Bilder der Gewalt

Wilfried Alt hat das alles sehr einleuchtend in Szene gesetzt. Mit größter Rasanz und Aggressivität agiert die Bösewichttruppe auf der Bühne. Dörte Jensen (Choreografie) hat dazu knallige Bilder entworfen, die Gewalttätigkeit raffiniert inszenieren und genau damit die Anziehungskraft veranschaulichen, die Gewalt für jene jungen Leute hat. Äußerst Drastisches ist auf der Bühne zu sehen. Aber das muss so sein, denn in diesem Stück wird bedenkenlos grausame Gewalt exekutiert. Dennoch wird Gewalt in keiner einzigen Szene um ihrer selbst willen geübt. Stets bleibt deutlich, dass die Zuschauer erschrecken sollen, aber dennoch ins Grübeln kommen. Die Distanz, die Theater zu seinem Thema wahren muss, ist stets zu spüren.