Der stellvertretende StZ-Chef Michael Maurer hat bei der Veranstaltung VHS/ StZ direkt über die Zukunft der Zeitungsredaktionen gesprochen. „Wir sind keine Sanierungsfälle, haben aber Reformbedarf“, sagte Maurer.

Stuttgart - Das Bild mutet fast poetisch an. „Wir sind auf relativ hoher See unterwegs im Mittelmeer, segeln in Richtung Kopenhagen, müssen unseren digitalen Weg suchen und Umwege nehmen.“ Es könne aber sein, dass das Ziel nach der Ankunft schon weiter im Norden, Osten, Süden oder Westen liege. Offen skizzierte Michael Maurer, stellvertretender Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, im Treffpunkt Rotebühlplatz, wie redaktionsintern die aktuelle Situation der Printmedien diskutiert wird.

 

Beim VHS-Pressecafé der Reihe Stuttgarter Zeitung direkt sprach er vor rund 60 Zuhörern über „Zeitungsredaktionen im Umbruch – und kein Ende in Sicht“. Die Herausforderung sei, so der Journalist, dass sich der Markt in Zeiten der Digitalisierung enorm schnell wandele – und damit das Nutzerverhalten. Auch der Werbemarkt ändere sich. Gab es einst Zeiten, in denen es nicht genügend Platz gab, alle Stellenanzeigen zu drucken, machen diese heute nur wenige Seiten aus.

Zahl der Digitalabos enorm gestiegen

Indes, so betonte Maurer, stünden die Zeitungen auf solider Basis. „Wir sind keine Sanierungsfälle, haben aber Reformbedarf.“ Derzeit erreichen die Zeitungsmarken in Deutschland regelmäßig 89 Prozent der Bürgerinnen und Bürger. Mehr als 62 Millionen Leserinnen und Leser über 14 Jahren informieren sich aus dem gedruckten und digitalen Angebot der 327 Tageszeitungen, 21 Wochenzeitungen und sechs Sonntagszeitungen. „Die Gesamtauflage beträgt gut 14 Millionen verkaufte Exemplare täglich. Über ihre digitalen Angebote erreichen die Verlage ebenfalls ein Millionenpublikum“, sagte Michael Maurer. Die Leserinnen und Leser schätzten die Tageszeiten ihrer Region überwiegend als verlässlich und glaubwürdig ein.

Print werde auch deshalb nie aussterben, sei aber nicht die Zukunft. Der Stuttgarter Zeitung, so Maurer, brach in den vergangenen Jahren ein erheblicher Teil der gedruckten Auflage weg, während die Zahl der Digitalabos enorm gestiegen sei. „Aber: Dieser Zuwachs im Digitalen macht den Verlust in Print nicht wett.“ Zu lange hätten die Zeitungen auch hingenommen, dass Inhalte verschenkt würden. Die Herausforderung sei jetzt, diese Gratis- in eine Bezahlkultur umzuwandeln. „Auch bei uns kommen Sie, wenn Sie mehr als 20 Artikel im Monat lesen wollen, nun in einen Bezahlvorgang.“ Dafür brauche es Zugänge, die für User so einfach und schnell wie möglich gestaltet seien.

Wichtig sei aber vor allem , dass die Leserinnen und Leser Berichte, Kommentare und andere Formate als so wertvoll, unverzichtbar, relevant und qualitätsvoll erachten, dass sie diese unbedingt lesen wollten. Und sie müssten bereit sein, dafür Geld auszugeben – unabhängig, ob das Endgerät Papier, Laptop oder Smartphone sei. „Wir müssen die richtigen Inhalte zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Kanälen an die User, Leserinnen und Leser bringen“, sagte Michael Maurer. Dies erfordere eine größere Flexibilität in den Verlagen und Redaktionen.

Die Pauschalkritik als Problem

Auch die Interessen des Publikums müssten künftig mehr im Fokus stehen – ohne diesem nach dem Mund zu schreiben. Derzeit würde ausgewertet, was 240 Testleser der Stuttgarter Zeitung zurückgemeldet haben. Schließlich werde das journalistische Angebot zunehmend in kleinere Teile für verschiedene Interessensgruppen digital zugeschnitten. Der stellvertretende StZ-Chefredakteur nannte als Beispiele das Gastroportal Mahlzeit, die VfB-App und das Format Stadtkind.

Die originäre Aufgabe der Medien sei stets als vierte Gewalt „unabhängig in die Gesellschaft politische Debatten hineinzutragen“, dabei auch konstruktive Kritik anzunehmen. „Ein Problem ist indes die Pauschalkritik, die eindeutig Medien diskreditieren und schädigen will“, meinte Maurer. Aus seiner Sicht ist die Aussage von Mathias Döpfner, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Zeitungsverleger, deshalb wegweisend. „Zeitungen sind zur Willensbildung in der Demokratie unvermindert systemrelevant“, erklärte Döpfner beim BDZV-Jahreskongress vor kurzem.