Die Polizei registriert im vergangenen Jahr eine erhebliche Anzahl an Protestveranstaltungen vor allem im Rems-Murr- und im Ostalbkreis. Eine Querdenker-Hochburg sieht man hingegen nicht.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Offenbar machen immer mehr Menschen ihrem Unmut über die coronabedingten Beschränkungen Luft: Im vergangenen halben Jahr sind allein im Rems-Murr-Kreis 113 „Versammlungslagen mit Coronabezug“ registriert worden. Noch mehr waren es im benachbarten Ostalbkreis. Offiziell von der Polizei erfasst wurden dort 157 entsprechende Zusammenkünfte.

 

Das geht aus Zahlen hervor, die der stellvertretende Leiter des Polizeipräsidiums Aalen, Wolfgang Reubold, jetzt am Rande eines Vortrags im Sozialausschuss des Kreistags bekannt gegeben hat. Reubold hatte eigentlich die Kriminalstatistik für das vergangene Jahr im Rems-Murr-Kreis erläutert. Dabei war er gebeten worden, auch auf aktuelle Besonderheiten im Bezug auf die Coronalage einzugehen.

Höhepunkt des Protests im März

Der bisherige Höhepunkt des Protests scheint der März gewesen zu sein. Im Bereich des Polizeipräsidiums Aalen, das neben Rems-Murr und Ostalb auch noch den Landkreis Schwäbisch Hall umfasst, fanden allein in diesem Monat insgesamt 75 Coronademos statt. Hinzu kommen möglicherweise neue Formen, wie jüngst eine vermeintlich spontane Massenzusammenkunft auf den Bühlwiesen in Waiblingen, wo sich laut Polizeibericht am vorvergangenen Sonntag 30 bis 45 Personen nahe dem Bürgerzentrum auf Campingstühlen niederließen und zu Akkordeonmusik tanzten. Auch in Schwäbisch Gmünd im Nachbarlandkreis soll es zu ähnlichen Szenen gekommen sein.

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„Das Thema beschäftigt uns sehr stark“, bestätigte Wolfgang Reubold vor den Kreisräten im Waiblinger Bürgerzentrum. Die Einsatzkräfte würden davon erheblich in Anspruch genommen. Von einer Querdenker-Hochburg Rems-Murr oder Ostalbkreis möchte er hingegen nicht sprechen. Diese Frage habe er auch dem Leiter des Staatsschutzes gestellt. „Dessen ausdrückliche Antwort lautete: nein“, sagte Reubold. Auf den Demonstrationen beobachte man vielmehr eine höchst heterogene Zusammensetzung der Teilnehmenden: Neben Verschwörungstheoretikern, Reichsbürgern und Extremisten reihten sich Unternehmer ein, die wegen der Schließungen ihrer Geschäfte finanziell mit dem Rücken an der Wand stünden, ebenso wie Familien mit Kindern und Menschen aus der bürgerlichen Mitte, wie es Reubold ausdrückte. „Der ganz überwiegende Teil, mehr als 90 Prozent“ der Veranstaltungen, laufe friedlich ab, betonte Reubold.

Zahl und Zusammensetzung variiert

Die Vorbereitungen der Polizei darauf allerdings gestalteten sich mitunter schwierig. Zum einen sei nicht immer klar, worauf man sich einstellen müsse, denn nicht nur die Zusammensetzung der Teilnehmer variiere stark, sondern auch deren Zahl: „Von drei bis 600 war fast alles dabei“. Zum anderen bewege sich das Versammlungsrecht zurzeit in einer, wie es Reubold ausdrückte, „sehr dynamischen Rechtslage“. Was heute in Sachen Coronaauflagen gelte, könne morgen schon wieder überholt sein. Bei einer Inzidenzlage von über 50 müsse zudem das Gesundheitsamt eingeschaltet werden. Eine enge Abstimmung mit den jeweiligen Ortsbehörden, die über die Zulassung der Veranstaltungen zu entscheiden hätten, sei deshalb dringend geboten, funktioniere aber in der Regel auch gut.