Hat ein Biker Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen an sein Motorrad geklebt?

Leonberg - Der Mann auf der Anklagebank des Leonberger Amtsgerichts sieht aus wie ein typischer Besucher des Bikertreffens Glemseck 101: braun gebrannt, silberne Ohrringe und die grauen Haare im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden. Im vergangenen Jahr hatte sich der Mann aus dem Breisgau zusammen mit einem Freund aus der Schweiz zu dem legendären Motorrad-Event auf der ehemaligen Solitude-Rennstrecke auf den Weg gemacht.

 

„Von mir sind die nicht“

Was sich dann zugetragen haben soll, erzählt der Angeklagte dem Gericht so: Am Freitag, 31. August, sind die beiden Männer auf der als Campingplatz ausgewiesenen Wiese angekommen und haben ihr Zelt aufgebaut. Anschließend hielten sie sich den Rest des Tages in der Nähe der Rennstrecke aufgehalten. Als er am Samstagnachmittag wieder einmal zu seinem Zelt zurückging, sprach ihn ein Zeltnachbar an und erzählte, dass die Polizei da gewesen sei und eine Visitenkarte an seinem Motorrad hinterlassen habe. „Ich habe dann die angegebene Nummer angerufen, und mir wurde ein Rückruf des zuständigen Kollegen versprochen“, erklärt der Angeklagte.

Gehört habe er jedoch nie mehr etwas. Stattdessen sei ihm ein paar Monate später ein Strafbefehl wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zugestellt worden. Laut diesem sollen an seinem Motorrad zwei SS-Runen aufgeklebt gewesen sein. „Von mir sind die nicht. Ich habe die erstmals auf den Polizeibildern gesehen“, erklärte der Biker vor dem Amtsgericht, der gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte.

Der Fall geht an den Staatsschutz

Im Laufe des Prozesses zeigte sich, dass die Ermittlungen in diesem Fall ein wenig unkoordiniert verlaufen waren. Ein Polizist erläuterte, er sei auf dem Bikertreffen von einem circa 25-jährigen Mann angesprochen worden, dass auf einem Motorrad zwei SS-Runen aufgeklebt seien. Zum Beweis habe ihm dieser Fotos auf seinem Handy gezeigt. Da er selbst Standdienst hatte und nicht weg konnte, habe er einen Kollegen gebeten, sich der Sache anzunehmen.

Dieser Kollege erklärte, er habe das Motorrad nach einigem Suchen gefunden und dort die beiden SS-Runen neben anderen Aufklebern gesehen. Er habe daraufhin Beweisbilder gemacht und die Runen entfernt. „Das ging relativ leicht, was ein Indiz dafür sein könnte, dass diese noch nicht allzu lange dort gehaftet haben könnten“, sagte der Polizeibeamte. Der junge Mann, der die Anzeige erstattet hatte und angeblich ein Zeltnachbar des Angeklagten war, sei nicht mehr zu ermitteln gewesen. Der Fall sei anschließend an die Staatsschutzabteilung abgegeben worden.

Amtsrichter fällt eindeutiges Urteil

Angesichts der dünnen Beweislage plädierte sogar die Staatsanwältin in ihrem Schlussvortrag auf einen Freispruch für den Angeklagten, da das Motorrad einen Tag lang unbeaufsichtigt gewesen sei. Dieser Forderung schloss sich der Verteidiger natürlich an. Amtsrichter Thomas Krüger sprach den Mann am Ende dann auch vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen frei. Die Chancen stünden 50:50, dass der Angeklagte die Aufkleber selbst angebracht habe oder jemand anders. Dass er diese nicht entfernt habe, sei nicht strafbar – vorausgesetzt, er habe diese überhaupt wahrgenommen. „Da zudem auch kein Vorsatz nachzuweisen war, konnte das Urteil nur Freispruch lauten“, schloss der Leonberger Amtsrichter Thomas Krüger die Verhandlung.