Im Schwimmbad, auf dem Autorücksitz, im Bett – nirgendwo war ein Mädchen aus dem Raum Sachsenheim vor den Übergriffen ihres Stiefvaters sicher. Jetzt ist klar: der 37-Jährige muss dafür zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis.

Sachsenheim - Eigentlich wollte die heute 23-jährige Vera M. (Name geändert) ihrem Stiefvater nie wieder begegnen. Am Mittwoch konnte sie das nicht verhindern. Sie war am Landgericht Heilbronn als Zeugin geladen, im Prozess gegen den Mann, der sich, unter anderem in Sachsenheim und Vaihingen/Enz, mehrfach sexuell an ihr vergangen hatte – und das wohl erstmals schon vor zwölf Jahren. Eine Aussage blieb ihr aber erspart. Der 37-Jährige war geständig und zog die Berufung gegen das Urteil vom Amtsgericht Vaihingen zurück. Jetzt muss er zwei Jahre und sechs Monate lang ins Gefängnis.

 

Die Berufungsverhandlung war von formalen, juristischen Fragen dominiert – und vom immer eindringlicheren Werben der Vorsitzenden Richterin beim Angeklagten, das Urteil nun zu akzeptieren. Der 37-Jährige begründete seinen Widerspruch wie folgt: „Das, was ich gemacht habe, habe ich gemacht. Ich nehme meine Situation wirklich ernst. Aber was ich nicht getan habe, habe ich nicht getan.“

Mildes Vaihinger Urteil?

Er bezog sich dabei auf einen schwer wiegenden Unterschied: sehr wohl habe er das damals zehn- bis zwölfjährige Mädchen wiederholt unter der Kleidung gestreichelt und auch im Intimbereich berührt. Penetriert habe er sie dort jedoch nie. Genau das macht aber den Unterschied zwischen sexuellem Missbrauch und schwerem sexuellem Missbrauch aus. Die Richterin machte dem Mann gleichwohl deutlich, dass sie den Richterspruch des Amtsgerichts Vaihingen/Enz sogar noch für sehr milde halte – und zwar unabhängig von dieser Detailfrage. „Das gesamte Urteil ist sehr zu Ihren Gunsten ausgefallen“, sagte sie. So habe das Amtsgericht zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er während seiner Übergriffe oft angetrunken gewesen sei. Auch habe das Urteil bei vielen Fällen angenommen, dass er das Mädchen über dessen Kleidung angefasst habe. Und: laut der Aussage seiner Stieftochter habe er sie „eigentlich jede Woche“ misshandelt. Dies habe sich auf das Strafmaß aber auch nicht ausgewirkt.

Die Vorsitzende Richterin am Landgericht Heilbronn deutete an, dass sie an Stelle des Amtsgerichts schärfer geurteilt hätte. Seine Übergriffe fielen umso schwerer ins Gewicht, weil das damals mit ihm und ihrer Mutter zusammen lebende Mädchen „in jedem Bereich ihres Lebens Ihren Berührungen ausgesetzt war, sie konnte sich eigentlich nirgendwo sicher fühlen“.

Der Angeklagte will eine Therapie machen

So haben die Übergriffe beispielsweise sogar in Anwesenheit der Mutter stattgefunden. Die Frau fuhr vom Urlaub nach Hause und der Mann verging sich auf dem Rücksitz unter einer Decke an dem schlafenden Mädchen. Ein anderes Mal ist er laut dem Urteil auch nicht davor zurückgeschreckt, das Mädchen in einem öffentlichen Schwimmbad unter Wasser unsittlich zu berühren. Auch die Staatsanwaltschaft wollte dem Opfer keine erneute Aussage vor Gericht zumuten und zog die Berufung zurück. Der 37-Jährige kündigte an, im Gefängnis eine Therapie machen zu wollen. Vorher wolle er noch sein Studium abschließen – wenn möglich.