Seit Jahren haben Ermittler der Polizei eine WG in Unterfranken im Visier. Nun kommt es zum Prozess gegen den mutmaßlichen „Guru“ der Gruppe. Er soll eine Frau brutal misshandelt haben, um Dämonen und böse Mächte auszutreiben. Erinnerungen an Teufelsaustreibung und Exorzismus werden wach.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Körperliche Misshandlungen, Vergewaltigungen gegen böse Mächte: Ein „geistiger Führer“ einer alternativen Wohngemeinschaft in Unterfranken wollte so nach Darstellung der Staatsanwaltschaft Schweinfurt eine von Dämonen besessene Frau befreien. Von Montag (19. Februar) an verhandelt das Landgericht Schweinfurt gegen den 1982 geborenen Mann.

 
Acht Verhandlungstage sind für den Prozess angesetzt Foto: dpa/Heiko Becker

Hasserfüllter Dämon bei Sexspielen austreiben

Mehrfache Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung: Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass der Angeklagte sein Opfer im vergangenen Mai brutal misshandelte und missbrauchte. Den Ermittlern zufolge soll der Mann seine frühere Verlobte mehrmals bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben.

Beim Geschlechtsverkehr sollte die Frau laut Anklage unter anderem einen hasserfüllten Dämon spielen, den der Mann ihr austreiben wollte. Bei einer mehrtägigen Party, bei der auch Drogen genommen worden sein sollen, soll der Verdächtige zudem behauptet haben, sein Opfer sei von Dämonen auf die Welt geschickt worden, um ihn zu vernichten. Für den Prozess sind bis Anfang April insgesamt acht Verhandlungstage angesetzt.

„Geistiger Führer“ einer obskuren Gruppe

In der Wohngemeinschaft leben nach deren Angaben ein bis zwei Dutzend Menschen. Ziel sei es, Menschen auf ihrem Weg der Heilung und des Wachstums zu unterstützen. Was genau damit gemeint ist, ist unklar. Laut Staatsanwaltschaft hat der Angeklagte in der Gemeinschaft die Stellung eines „geistigen Führers“.

Der Sektenbeauftragte der evangelischen Landeskirche, Matthias Pöhlmann, der die Wohngemeinschaft vor ein paar Jahren besuchte und mehrfach mit ehemaligen Mitgliedern sprach, bezeichnet die Gruppe als „sozial-utopische Gemeinschaft“. Autoritärer Führungsstil, Gruppendruck, Verlust der Intimsphäre, stundenlange Tribunale, bei denen sich Einzelne rechtfertigen müssten – davon hätten ihm ehemalige Mitbewohner berichtet.

Info: Teufel, Dämonen, Exorzismus

Teufel
In vielen Religionen ist der Teufel ein eigenständiges, übernatürliches Wesen. Im Christentum und im Islam ist er die Personifizierung des Bösen, der Fürst der Finsternis, die Quelle aller Niedertracht und alles Schlechten. Ein Wesen, das etwa als Engel mit schwarzen Flügeln oder als Junker mit Pferdefuß in Erscheinung tritt. Im Buddhismus heißt er Mara oder Devadatta und ist ein Dämonenwesen.

Satan
Über Satan heißt es im Katechismus der Katholischen Kirche von 1982: „Die Schrift bezeugt den unheilvollen Einfluss dessen, den Jesus den ,Mörder von Anfang an‘ nennt (Johannes-Evangelium 8,44) und der sogar versucht hat, Jesus von seiner vom Vater erhaltenen Sendung abzubringen. ‚Der Sohn Gottes aber ist erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören‘ (Erster Johannesbrief 3,8). Das verhängnisvollste dieser Werke war die lügnerische Verführung, die den Menschen dazu gebracht hat, Gott nicht zu gehorchen.“

Gestürzter Engel
Der christlichen Tradition gemäß ist Satans Macht begrenzt. Denn auch er ist bloß ein Geschöpf. Ein mächtiger Engel zwar, aber gefallen und hinabgestürzt in das Reich der Finsternis, weil er sich gegen Gott auflehnte und deshalb von ihm verstoßen wurde. Ständig strebt er danach das Reich Gottes, dessen Kommen Jesus von Nazareth angekündigt hat, zu verhindern. Doch auch wenn sein boshaftes Tun die Welt in Chaos und Unfrieden stürzt, kann er die Heilsgeschichte nicht aufhalten.

Exorzismus
Unter Exorzismus wird in vielen Religionen die rituelle Vertreibung böser Mächte oder Geister aus Menschen, Tieren oder Gegenständen verstanden. In der Katholischen Kirche war der Exorzismus von „Besessenen“ im Mittelalter gang und gäbe. Heute unterliegt er strengen Auflagen. Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es: Der Exorzismus diene dazu, „Dämonen auszutreiben oder vom Einfluss von Dämonen zu befreien, und zwar kraft der geistigen Autorität, die Jesus seiner Kirche anvertraut hat“. Der Hauptdämon sei ein „gefallener Engel, der Satan oder Teufel genannt wird“.

Teufelsaustreibung
Zum Exorzismus (griechisch: exorkismós, das Hinausbeschwören) gehören in der katholischen Kirche das Besprengen mit Weihwasser, die Anrufung Gottes und das Handauflegen. Nach den Kirchenvorschriften darf die „Teufelsaustreibung“ nur nach ausdrücklicher Genehmigung des jeweiligen Ortsbischofs durch einen Priester vorgenommen werden, „der sich durch Frömmigkeit, Wissen, Klugheit und untadeligen Lebenswandel auszeichnet“. Zuvor müssen alle medizinischen oder psychiatrischen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein.

Exorzismus-Ritual
Es gibt „Anzeichen“, an denen ein Priester erkennen kann, ob Satan von einer Seele Besitz ergriffen hat – wie das Sprechen fremder, dem Besessenen unbekannter Sprachen, unnatürliche körperliche Kraft oder abgrundtiefe Abneigung gegen Gott. Bei diesem Ritual besprengt der Priester den „Besessenen“ zunächst mit Weihwasser, legt ihm die Hände auf, betet und liest aus der Bibel. Dann bittet er Gott um Befreiung vom Bösen und befiehlt dem Teufel, den Besessenen zu verlassen.

Das Böse
Für die katholische Kirche ist die Existenz des Bösen eine Glaubenswahrheit. Das Rüstzeug, mit dem Priester dem Bösen zu Leibe rücken, heißt offiziell Großer Exorzismus. 1614 wurde sein Ablauf in dem liturgischen Buch „Rituale Romanum“ geregelt. Die überarbeitete Version von 1999 trägt den Titel „De exorcismis et supplicationibus quibusdam“ (Über die Exorzismen und Bittgebete, die sich darauf beziehen). In verschiedenen christlichen Kirchen, vor allem in evangelikalen und charismatischen Gemeinden sind zudem „Befreiungsdienste“ entstanden, die sich eine ähnliche Aufgabe gestellt haben.

Großer Exorzismus
Der Große Exorzismus ist ein theologisches Befreiungsritual, die Richtlinien sind streng. So muss die Teufelsaustreibung von einem Bischof angeordnet werden. Um religiöse Besessenheit von psychiatrischen Störungen zu unterschieden, muss der Priester ärztlichen Rat einholen. Der Exorzist müsse „mit Klugheit und Nüchternheit streng nach den von der Kirche aufgestellten Kriterien vorgehen“, heißt es in einem Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz. „In keinem Fall ist der Exorzismus ein Ersatz für ärztliche Bemühungen.“