Der Name Merkel ist für die Union Programm. Deshalb überschattet die Kanzlerin den schwarzen Wahlkampf – jetzt auch in größtmöglichem Format. StZ-Korrespondent Armin Käfer geht der Gigantomanie auf den Grund.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Einige der wirkungsmächtigsten Herrschergestalten dieser Welt tragen im Geschichtsbuch einen Namenszusatz, der sie noch imposanter erscheinen lässt, als sie ohnehin schon waren: Das gilt etwa für den ersten deutschen Kaiser, den erfolgreichsten aller Preußenmonarchen, für die aufgeklärte Zarin Katharina oder für den Angelsachsenkönig Alfred und seinen Nachfolger Knut. Sie alle haben den Ehrentitel, welcher sie als der oder die „Große“ ausweist. Als sie einstmals das Sagen hatten, musste man sich solche imperialen Attribute allerdings noch hart erarbeiten – sei es durch die Unterwerfung halb Europas, den Aufstieg zur Großmacht, die Einigung der eigenen Nation oder vergleichbare Heldentaten.

 

Noch gibt es keine Indizien, die darauf hindeuten würden, dass Angela Merkel einmal in diese historische Kategorie einsortiert werden müsste. Und dennoch übertrifft sie alle. Denn die Kanzlerin lässt sich selbst als Angela die Allergrößte inszenieren. Zu besichtigen ist das mitten in der Bundeshauptstadt: an einem Baugerüst am Berliner Bahnhof. Dort prangt zurzeit das Bildnis der Regierungschefin in unübertroffenem Format. Auf 2378 Quadratmetern, was sechs Reihenhausgrundstücken oder neun Tennisplätzen entspricht, zeigt es nicht mehr als Merkels Hände – in einer typischen Haltung. Wenn die Kanzlerin nämlich nicht weiß, was sie damit anfangen soll, formt sie mit den Fingern eine Raute. Die ist inzwischen zu einer Art Markenzeichen geworden.

Zusammengesetzt aus 2150 Fotos

Würde man von der Dimension der merkelschen Hände auf die komplette

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Kanzlerinnengestalt schließen, dann müsste das Plakat wohl am Fernsehturm auf dem Alexanderplatz aufgehängt werden. Aber die CDU-Chefin überragt ja auch alles, was ihre Partei sonst noch zu bieten hat. Ihrer Popularität verdankt diese Umfragewerte, die von den Wahlergebnissen zu Zeiten eines (zumindest körperlich) noch größeren Vorgängers träumen lassen. Das monströse Merkelbild ist übrigens so etwas wie ein anatomisches Mosaik: zusammengesetzt aus 2150 Fotos, die Hände in kanzlerinnenhafter Haltung zeigen. Die CDU meint, ein solches Stückwerk verdeutliche, dass Deutschland nur „gemeinsam erfolgreich“ sein könne – und so lautet ja auch ihr Wahlkampfmotto.

Bald verblüfft die famose Angela ihre Anhänger auch auf eine weitere Weise: Ihre Partei lässt für die Endphase des Wahlkampfs Merkel-Plakate an den Straßenrand kleben, die sogar sprechen können. Das ist etwa so wie in einem Märchenwald, wo Bäume und Pilze plötzlich das Reden anfangen. Um die gute Fee der Christdemokraten zum Leben zu erwecken, bedarf es allerdings der „Merkel-App“. Sie lässt die papierene Kanzlerin erst lebendig werden. Die Sprüche der App-Angela sind aber die gleichen, wie sie vom realen Vorbild zu hören sind: Sie macht viele Worte, ohne wirklich vielsagend zu sein.