Die linke „taz“ handelt sich den Vorwurf des „Alltagsrassismus“ ein. FDP-Chef Philipp Rösler verweigert sich ihrem Schablonendenken und storniert ein Interview.

Berlin - Die schnöde Wirklichkeit ist nicht immer deckungsgleich mit individuellen politischen Ansichten. Wahlkämpfe sind eine Zeit, in der sich solche Erkenntnisse gelegentlich einstellen. Allerdings widerfährt das nicht nur dem politischen Personal, sondern auch jenen, die dessen Ansichten zu transportieren versuchen. Das schlägt sich in einer ungewöhnlichen Ausgabe der linken Tageszeitung „taz“ nieder. Deren Wahlbeilage erschien am Dienstag mit einem blanken Titelblatt. Von einem Interview mit dem FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler waren lediglich zwei Gänsefüßchen übrig geblieben. Vier Seiten weiter hinten wurden zwar die Fragen abgedruckt, an Stelle der Antworten aber nur Gedankenstriche.

 

Den Rest muss sich nicht jeder unserer Leser selbst ausdenken, er sei hiermit erklärt: In der deutschen Medienlandschaft ist es üblich, dass Interviews, die gedruckt erscheinen sollen, vor der Veröffentlichung von den jeweiligen Gesprächspartnern autorisiert werden. Das hat einen einfachen Grund: Interviews sind keine schlichten Frage-Antwort-Protokolle. Sie werden bei der Niederschrift im Regelfall gestrafft, gekürzt, von unverständlichen Passagen bereinigt. Damit der Interviewte sich in dem Gespräch bei Lektüre der gedruckten Version noch wiederfindet, bekommt er die Chance, den Text noch einmal gegenzulesen.

Aus „Stil und Anstand“ wird nur noch „Hass“

Im Falle der „taz“ hat Rösler die Autorisierung verweigert. Er gab das Interview nicht zum Abdruck frei. Es gibt zwei Versionen, die zu erklären versuchen, warum es dazu kam. Das Spontiblatt schreibt: „Der Vizekanzler hat eine Stunde lang mit der ,taz’ über Hassmails und Koalitionsstreit, seine asiatischen Wurzeln und über Rainer Brüderles Vergleiche zwischen Bambusrohr und deutscher Eiche gesprochen. Doch jetzt will er das Gesagte nicht in der Zeitung lesen.“

Röslers Leute in der FDP-Zentrale schildern die Motive für diese liberale Zensur anders. Demnach habe die Zeitung zunächst um ein Interview über das Thema „Stil und Anstand im Wahlkampf“ nachgefragt. Im Verlauf des einstündigen Gesprächs sei nicht erkennbar gewesen, dass diese Fragestellung auf die im Blatt umrissenen Themen verengt werden sollte.

„Grober Bruch der gängigen Spielregeln“

Das Gespräch sei zudem anders verlaufen, als das getippte Interview dies widergespiegelt habe. In dem zur Autorisierung vorgelegten Text sei es fast ausschließlich um die vietnamesische Herkunft Röslers gegangen sowie um daraus resultierende rassistische Anfeindungen. Damit hätten die Interviewerinnen einen „falschen Schwerpunkt“ gesetzt, der nicht dem Duktus des Gesprächs entsprochen habe.

Die Zeitung habe einen Aspekt in den Mittelpunkt gerückt, „der im Leben Philipp Röslers keine wahrnehmbare Rolle spielt“, sagte FDP-Sprecher Peter Blechschmidt. Dies habe der Parteivorsitzende auch in allen seinen Antworten deutlich gemacht. „Gleichwohl wollte er einem Interview, das fast ausschließlich auf dieses Thema abhebt, seine Zustimmung nicht geben.“ Rösler habe der „taz“ angeboten, den strittigen Text noch einmal zu überarbeiten. Das habe die Zeitung jedoch abgelehnt. Chefredakteurin Ines Pohl spricht von einem „groben Bruch der gängigen Spielregeln“. Die FDP schickt diesen Rüffel prompt per Pressemitteilung wieder zurück an den Absender.

Rösler fügt sich nicht dem linken Schablonendenken

„Eine Autorisierung soll sicherstellen, dass man die Antworten sachlich richtig und nicht missverständlich wiedergibt“, argumentiert die Journalistin Pohl. „Sie darf aber nicht dazu führen, dass im Nachhinein unliebsame Antworten oder Einlassungen gestrichen werden.” Aus Röslers Umfeld heißt es hingegen, die „taz“ habe ihre eigenen Fragen nachträglich frisiert – und damit die Geschäftsgrundlage aufgekündigt.

Rösler wollte sich also nicht der Schablone fügen, welche die „taz“ für ihn zurecht geschustert hat. Er wollte für das Blatt nicht das Opfer spielen. Man muss hinzufügen: Er fühlt sich auch nicht als Opfer – auch wenn solche Bekenntnisse nicht zum Weltbild aller Interviewpartner passen. Er verstehe sich nicht als Fremdling in der deutschen Politwelt, so sagen Vertraute, sondern als Deutscher, der in Deutschland aufgewachsen und dessen Muttersprache Deutsch ist.

Shitstorm im verlagseigenen „Hausblog“

Die „taz“ hat wegen des verunglückten Interviews übrigens Ärger mit dem eigenen Publikum. Über das Blatt ist ein regelrechter Shitstorm hereingebrochen. „Unter aller Kanone“, „billig“ und „dümmlich“ sind noch die nettesten Ausdrücke, die in den Kommentaren vorkommen, so resümiert auch der Branchendienst Kress-Report. Auf Facebook spricht die Amadeu Antonio Stiftung von „Alltagsrassismus“. Die eindimensionalen Fragen an Rösler seien „eine bodenlose Frechheit“, schreibt ein Nutzer des taz-eigenen „Hausblogs“. Ein anderer formuliert es noch drastischer: „Die Fragen der ,taz’ sind rassistisch.“ Die Interviewerinnen werden als „Kinderredakteure aus dem Schülerzeitungspraktikum“ bezeichnet.