Zum Abschluss seiner Buchtour durch Europa hat der Filmemacher Quentin Tarantino in Berlin davon erzählt, wie er seine Begeisterung fürs Kino entdeckt hat.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Quentin Tarantino ist nicht nur einer der außergewöhnlichsten Regisseure, Drehbuchautoren, Selbstdarsteller, Kinokenner und Schnellsprecher der Welt. Er ist auch ein Meister darin, seine Filme stets mit einer grandiosen Musikauswahl auszustatten. Natürlich wird auch seinem Auftritt am Mittwochabend im Berliner Admiralspalast ein grandioser Soundtrack verpasst. Bevor Tarantino zum Abschluss seiner Buchtour durch Europa mit Steven Gätjen über „Cinema Speculation“ sprechen und ein Kapitel aus dem Buch vorlesen wird, wird der Saal mit einem herrlich obskuren Mix beschallt, der mal nach Italowestern, mal nach Cop-Thriller, mal nach Blaxploitation – immer aber nach Tarantino klingt. Weil Handys an dem Abend strikt verboten sind und Shazam daher nicht verfügbar ist, bleibt die Playlist wohl Quentin Tarantinos Geheimnis.

 

Tarantino über seinen neuen Film

Und es bleibt nicht das einzige Geheimnis, das der Kultregisseur in Berlin für sich behält. So offen er über seine Kindheit, die er zum Großteil in Filmtheatern verbracht hat, erzählt, so wenig ist er bereit über den Film „The Movie Critic“, an dem er gerade arbeitet, zu verraten. „Ich habe noch keine Ahnung, wer mitspielen wird“, sagt er. Immerhin bestätigt er, dass sein zehnter Film tatsächlich sein letzter werden soll, verrät, dass er mit dem vorletzten Drehbuchentwurf fertig sei, dass im Herbst dieses Jahres mit den Dreharbeiten begonnen werden soll und dass es in dem Film wirklich um einen Movie Critic, einen Filmkritiker, gehen soll.

Einige Filmkritiker befinden sich am Mittwoch natürlich auch im Admiralspalast, um bei einem der seltenen Auftritte des 60-Jährigen mehr darüber zu erfahren, was passierte, bevor der Mann Meisterwerke wie „Reservoir Dogs“, „Pulp Fiction“ „Inglorious Basterds“ oder „Once Upon a Time in Hollywood“ gemacht hat. Doch auch die Zahl der aufstrebenden Schauspieler und Drehbuchautoren im Publikum ist so groß, dass Gätjen darum bittet, die Veranstaltung nicht dazu zu missbrauchen, Tarantino mit Ideen oder Besetzungswünschen zu belästigen.

Das Buch „Cinema Speculation“ vermengt Autobiografie und Filmtheorie, indem Tarantino davon erzählt, wie er als Kind in den 1970er Jahren quasi im Kino aufgewachsen ist, und wie ihn das bis heute als Filmemacher prägt. In den 1970ern wurde auch das Kino in den USA erwachsen. Das New Hollywood tat eine neue Freiheit, eine neue Intensität und eine neue thematische Offenheit auf. „Ich und die Erwachsenen waren eigentlich auf demselben Stand, mussten uns erst an diese Art von Kino gewöhnen“, sagt Tarantino. Tatsächlich sah er bereits als Siebenjähriger jede Menge Filme, die nicht jugendfrei waren. In den USA geht das, wenn man ist in Begleitung eines Erziehungsberechtigten ist.

Kino als billigste Art der Freizeitunterhaltung

Für Tarantinos Eltern war Kino „die billigste Art der Freizeitunterhaltung“. Und sie gingen mit ihm nicht in die Filme, die er vielleicht gerne gesehen hätte, sondern in die Filme, die sie sehen wollten. „Wenn dir die Filmauswahl nicht passt, kannst du ja zu Hause bleiben“, habe ihm seine Mutter gedroht.

In Berlin schwärmt Tarantino mit dem Enthusiasmus, den man von ihm kennt, von Film-Provokateuren wie Sam Peckinpah oder Ken Russel, deren Markenzeichen es war, sich nicht davor zu fürchten, anzuecken, sondern die Konfrontation zu lieben. Er bekennt sich zu seiner Verehrung für Charles Bronson, „der in allen Rollen, auch winzigen Nebenrollen großartig war“, und für Steve McQueen, der nie nur ein Schauspieler, sondern immer ein Filmstar sein wollte. Auch in Zeiten des Streaming glaubt Tarantino weiterhin an das kollektive Erlebnis im Kinosaal und vertraut dem Publikum. „Die Masse im Saal ist ein schwer atmendes Biest“, sagt er. „Wenn dieses unheimliche Monster anfängt zu lachen, weiß man, dass man als Regisseur alles richtig gemacht hat.“ Zum Beispiel in der irrwitzigen Ku-Klux-Klan-Szene aus „Django Unchained“, in der die Rassisten Probleme mit ihren Masken haben. Weil die Szene die Story kein bisschen weiterbringt, sollte sie eigentlich gestrichen werden. Das grölende Testpublikum entschied aber anders. Die größte Offenbarung des Abends ist dann jedoch, dass dieser Mann, von dem man immer dachte, er hätte jeden Film, der jemals gedreht wurde, gesehen, eine Lücke hat: „Den Film ,Sound of Music’ habe ich nie gesehen“, gibt er zu: „Ich glaube, ich mochte das Plakat nicht.“

Der Film, den Tarantino nie gesehen hat

Quentin Tarantino: Cinema Speculation. Die Filme meines Lebens. Aus dem Amerikanischen von Stephan Kleiner. Kiepenheuer & Witsch, 400 Seiten. 26 Euro