Querdenken-Demo in Hannover Video von selbst ernannter „Sophie Scholl“ sorgt für Furore

Eine Kritikerin der Corona-Politik sieht sich als „Sophie Scholl“, weil sie sich ähnlich engagiere wie Widerstandskämpfer zur NS-Zeit. Auch Bundesaußenminister Heiko Maas äußerte sich zu dem Video.
Hannover/Berlin - Bei der „Querdenken“-Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen am Samstag in Hannover hat eine Rednerin mit einem Auftritt als selbst ernannte „Sophie Scholl“ heftige Reaktionen im Netz ausgelöst. Auf einem Video, das bei Twitter bis zum Sonntagmorgen über 1 Million Mal angeklickt und mehrere Tausend Male kommentiert wurde, ist eine junge Frau zu sehen, die auf einer kleinen Bühne in der Nähe der Oper zum Publikum spricht.
„Ich fühle mich wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten hier aktiv im Widerstand bin, Reden halte, auf Demos gehe, Flyer verteile und auch seit gestern Versammlungen anmelde“, sagt sie - und vergleicht sich dabei mit der von den Nazis hingerichteten Widerstandskämpferin.
Nach wenigen Sätzen taucht ein junger Mann vor der Bühne auf. „Für so einen Schwachsinn mache ich doch keinen Ordner mehr“, protestiert er und reicht der Frau sein orangefarbenes Leibchen. Es gehe hier um eine „Verharmlosung vom Holocaust“, die „mehr als peinlich“ sei. Die Rednerin entgegnet: „Ich habe doch gar nichts gesagt.“ Dann beginnt sie zu weinen und wirft ihr Mikrofon weg. Polizisten erscheinen und geleiten den Mann von der Bühne weg. In einem später geposteten Ausschnitt ist die Frau erneut zu sehen. Sie gibt sich „schockiert, dass ich von einem Passanten, oder was auch immer, beleidigt wurde“.
Bundesaußenminister äußert sich zum Video
Viele Twitter-Nutzer markierten das Video mit „Gefällt mir“, während des Auftritts der Frau ist vereinzelt Applaus zu hören. Doch in den Kommentarspalten gibt es auch Empörung und Ablehnung: Die Parallelen zu Sophie Scholl seien verantwortungslos, die Gleichsetzung mit dem Mitglied der studentischen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ zur NS-Zeit sei beschämend. Der junge Mann bekommt hingegen Zuspruch. Ein Nutzer etwa schrieb: „Respekt für den Ex-Ordner, der die Verhöhnung der realen Holocaust-Opfer erkannte und sich dagegen stellte.“
Auch Bundesaußenminister Heiko Mass (SPD) kritisierte die Rednerin. „Wer sich heute mit Sophie Scholl (...) vergleicht, verhöhnt den Mut, den es brauchte, Haltung gegen Nazis zu zeigen“, twitterte er am Sonntag. „Nichts verbindet Coronaproteste mit Widerstandskämpfer*Innen.“
In einem Bericht tauchten derweil Zweifel auf, ob es sich bei dem Mann wirklich um einen Ordner handelte. Nach Informationen der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ soll er zur örtlichen linken Szene gehören, bei vielen anderen Demonstrationen in Erscheinung getreten sein und seine Gegenaktion zu dem „Sophie-Scholl“-Auftritt inszeniert haben.
Unklar war auch, ob er bei den Veranstaltern der lokalen „Querdenken“-Kundgebung als Ordner registriert war. Die Polizei Hannover hatte vorerst keine Hinweise auf eine Manipulation: „Das war auch kein Sachverhalt, der eine Maßnahme erfordert hätte.“ Die Registrierung der Ordner sei Sache der Versammlungsleitung.
Unsere Empfehlung für Sie

Coronavirus in Deutschland 16 417 Corona-Neuinfektionen und 879 neue Todesfälle gemeldet
Dem Robert Koch-Institut wurden innerhalb eines Tages 16 417 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Die Zahl der Todesfälle lag bei 879. Vor genau einer Woche hatte das RKI 18 678 Neuinfektionen verzeichnet.

Newsblog zum Coronavirus Berliner Klinik stoppt Aufnahmen wegen Corona-Mutation
Das Coronavirus hält Europa und die Welt weiter in Atem. Zuletzt gab es wieder steigende Fallzahlen in verschiedenen Ländern der Welt. Hier können Sie die Entwicklungen im Newsblog verfolgen.

Mutation des Coronavirus Boris Johnsons Corona-Warnung sorgt für Wirbel
Seit Bekanntwerden der Mutation B.1.1.7 in England fragen sich Politiker und Wissenschaftler: Ist die Corona-Variante tödlicher als die bisher bekannte? Durchaus möglich, sagt nun ausgerechnet der britische Premier Johnson. Das sorgt für Stirnrunzeln.

Coronavirus in Deutschland Mehr als 50.000 Corona-Tote seit Pandemiebeginn
Seit Pandemiebeginn sind in Deutschland mehr als 50.000 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben. Wie gewohnt, macht das Robert Koch-Institut am Freitagmorgen auch Angaben zu den Neuinfektionen.

Nach Entschärfung des Erdgas-Streits Maas setzt auf Neuanfang in den Beziehungen zur Türkei
„Lieber Heiko“ und „Lieber Mevlüt“ - so betont freundlich war der gemeinsame Auftritt von einem deutschen und einem türkischen Außenminister schon lange nicht mehr. Maas hofft auf einen Neuanfang, doch es gibt auch kritische Töne.

Coronavirus In England entdeckte Variante womöglich tödlicher als bisherige
Seit Langem wird davon ausgegangen, dass sich die Mutation schneller ausbreitet als die bisher vorherrschende Variante. Doch nun gibt es Anzeichen, dass sie auch mehr Menschen das Leben kostet.