Seit der drastischen Reduzierung der hausärztlichen Notfallversorgung, laufen die Notaufnahmen der Kliniken über – mit Patienten, die dort nicht hingehören. Landrat und Klinikgeschäftsführer appellieren deshalb jetzt an die Kassenärztliche Vereinigung.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Die Befürchtungen der örtlichen Experten haben sich offenkundig bewahrheitet: Weil außerhalb der normalen Öffnungszeiten der Arztpraxen vor allem im Süden des Rems-Murr-Kreises nur noch eine deutlich eingeschränkte ambulante medizinische Versorgung gewährleistet ist, laufen nun die Notaufnahmen der Kliniken über – mit Patienten, die dort eigentlich nicht hingehören. Dabei hatte es bis vor wenigen Monaten noch ein sehr gut funktionierendes System gegeben.

 

Vorbildliches Ein-Tresen-Modell

Das sogenannte Ein-Tresen-Modell im Rems-Murr-Kreis galt bis vor kurzem noch als vorbildlich: Patienten, die außerhalb von Sprechstundenzeiten ärztliche Hilfe benötigten, fanden an den Rems-Murr-Kliniken in Winnenden und Schorndorf einen Lotsen, der sie je nach Symptomen und Schwere der Erkrankung entweder direkt in die Klinik oder in eine der räumlich angebundenen, aber von den niedergelassenen Ärzten im Kreis betriebenen, Notfallpraxen verwies.

Seit Oktober des vergangenen Jahres stellt ein Urteil des Bundessozialgerichts die nach Angaben der Betreiber bestens funktionierende und bundesweit beachtete Struktur indes auf eine Zerreißprobe. Laut dem Richterspruch gelten Mediziner, die als sogenannte Poolärzte freiwillig im Bereitschaftsdienst außerhalb der regulären hausärztlichen Sprechzeiten tätig sind, nämlich als sozialversicherungspflichtig.

In Spitzenzeiten doppelt so viele Notfallpatienten wie üblich

Weil diese in der Konsequenz nun nicht mehr im Bereitschaftsdienst eingesetzt werden, hat die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) in einer Art Notfallplan mit einer Reduzierung des Angebots im ganzen Land reagiert. Für den Rems-Murr-Kreis bedeutete dies die Schließung der Notfallpraxis in der Rems-Murr-Klinik in Schorndorf und eine deutliche Reduzierung der Öffnungszeiten in Winnenden.

Das wiederum haben die Kliniken zu spüren bekommen. So seien in der Notaufnahme Schorndorf im Schnitt der vergangenen Wochen und Monate 30 Prozent mehr Patienten betreut worden, heißt es vonseiten der Rems-Murr-Kliniken. In Winnenden sei die Auslastung um zehn Prozent gestiegen; in Spitzenzeiten gar um 100 Prozent. „Diese Mehrbelastung ist für unsere Mitarbeitenden auf Dauer ebenso wenig tragbar wie für die Menschen, die bei uns sieben Tage in der Woche rund um die Uhr Hilfe erwarten“, konstatieren der Landrat Richard Sigel und der Klinikgeschäftsführer André Mertel.

Landrat und Klinikgeschäftsführer fordern sofortiges Handeln

In einem Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) Karsten Braun fordern beide diesen deshalb jetzt zum „sofortigen Handeln“ auf: Die Notfallpraxis in Schorndorf müsse zeitnah ihren normalen Betrieb wieder aufnehmen und jene in Winnenden zu ihren gewohnten Öffnungszeiten zurückkehren dürfen, heißt es in dem Brief.

Wichtig ist beiden in diesem Zusammenhang zu betonen, dass Kreis und Kliniken nach wie vor Seite an Seite mit den niedergelassenen Ärzten stünden. Auch deshalb appellierten alle Beteiligten mit Nachdruck an die zuständige KVBW, die Notbremse in der Notfallversorgung zu lösen. Sigel und Mertel: „Lassen Sie zu, dass der Verein Notfallpraxis Rems-Murr und unsere Rems-Murr-Kliniken wieder die bewährte Zusammenarbeit auf voller Breite aufnehmen dürfen. Machen Sie es möglich, dass unser gut etabliertes Ein-Tresen-Modell wieder Normalbetrieb aufnehmen und im Zuge der Krankenhausreform als gutes Vorbild für die bundesweite Notfallversorgung dienen kann.“