Knapp eine Million Euro hat die Stadt Kirchheim, maßgeblich unterstützt vom Land, in die Renaturierung der Lauter gesteckt. Jetzt erfreut das vom Betonkorsett befreite Bächlein wieder Mensch und Wassergetier.

Kirchheim - Wer sich Zeit nimmt und die Schautafel studiert, die den neuen Lauterpark in Kirchheim erklärt, der liest dort von einer „bermenartigen Schüttung von Wasserbausteinen in Kombination mit einer linear verlaufenden Totfaschine – übererdet mit Staudenpflanzen“. Einfacher hat es die Kirchheimer Oberbürgermeisterin am Freitag bei der kleinen Feier zur Eröffnung der kleinen Anlage ausgedrückt. Die Stadt habe mit der 911 000 Euro teuren Renaturierung des Bachbettes einen Fluss zurückbekommen, „in dem Leben stattfindet und der das Leben bereichert“, sagte Angelika Matt-Heidecker.

 

Lauter aus dem Korsett befreit

Auf einer Länge von rund 160 Metern, zwischen der Max-Eyth-Straße und der Schülestraße, haben die Stuttgarter Landschaftsarchitekten des Büros Geiz und Partner den innerstädtischen Flusslauf nicht nur aus seinem Korsett befreit, sondern den Menschen auch einen Zugang zum Ufer hin ermöglicht. Hinter der ebenfalls sanierten Bruckmühle öffnet sich auf einer Strecke von gut 20 Metern der Raum zum Wasser hin. Auf dass sich das Wasser nicht auch zum Raum hin öffne, haben die Landschaftsarchitekten eine neuartige, im „Normalbetrieb“ unsichtbare Hochwassersperre eingebaut.

Versenkt im Boden wartet eine in einer Stahlwanne eingerollte Plastikplane auf ihren Einsatz. „Im Ernstfall steht die Barriere in weniger als einer halben Stunde“, sagt die Raumplanerin Simone Krieger. Einen Meter hoch, soll die mit einem Stahlnetz verstärkte Plane einem Wasserstand trotzen, wie er statistisch nur einmal in 100 Jahren vorkommt. Und sie soll so haltbar sein, dass sich auch dem Aufprall einer vorbeischwimmenden Geschirrhütte standhält. Der größte Vorteil aber ist, dass sie die ansonsten viel Platz benötigenden Dammbalken überflüssig macht.

Acht Jahre lang ist entlang des innerstädtischen Lauterlaufs geplant, nachgedacht, gezeichnet und wieder verworfen worden. Waren die Pläne kurz vor der Baureife, hat eine geänderte Hochwasserschutzrichtlinie dafür gesorgt, dass wieder neu nachgedacht, geplant und gezeichnet werden musste. Die erst im Mai dieses Jahres begonnenen Bauarbeiten sind schließlich schnell und reibungslos über die Bühne gegangen.

„Es hat sich gelohnt“, sagte die Oberbürgermeisterin, die bei der Gelegenheit bekannte, von Kindesbeinen an eine innige Beziehung zur Lauter zu haben. „Mein Schulweg ist hier vorbei gegangen. Da war es jeden Tag aufs Neue spannend, welche Farbe der Bach wohl dieses Mal wieder haben werde – rot, grün oder orange“, sagte sie. Die Erfahrung teilte sie mit Peter Hofelich, der als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium seine Aufwartung in Kirchheim gemacht hatte. Er sei an der Fils aufgewachsen, die seinerzeit in regelmäßigen Abständen die Farben der Wollindustrie angenommen habe.

Gewinn für Umwelt und für die Wirtschaft

Die Farbigkeit, die mittlerweile in den baden-württembergischen Städten und Gemeinden herrscht, ist von anderer Art. Auch dank der großzügigen städtebaulichen Förderung seines Hauses seien die Kommunen dabei, ihre historischen Bezüge in eine zeitgemäße Urbanität einzupassen, stellte Hofelich fest. Nebenbei profitierten davon nicht nur Mensch und Natur, sondern auch die örtliche Wirtschaft. „Unsere Erfahrung zeigt, dass von einem Euro aus öffentlicher Hand eine Hebelwirkung ausgeht, in deren Folge sechs Euro an privaten Investitionen ausgelöst wird“, sagte der Staatssekretär.

Die industriellen Schadstoffeinleitungen in die Flüsse ist Vergangenheit, wenngleich im Verlauf der Lautersanierung noch so manche Altlast aufdeckt worden war. So musste den Worten der Oberbürgermeisterin zufolge entlang der ehemaligen Bahntrasse unter anderem das Schwermetall Quecksilber entsorgt werden. Gerade dort, wo jetzt eine bermenartige Schüttung von Wasserbausteinen in Kombination mit einer linear verlaufenden Totfaschine von Staudenpflanzen übererdet ist.