Ein Runder Tisch Tourismus, den Bürgerinnen und Bürger ins Leben gerufen haben, will die Vergangenheit in Wiesensteig ausblenden und den Blick nach vorn richten. Mit einem moderierten Ideen-Workshop wird am Samstag der nächste Schritt gemacht.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Wiesensteig - Mehr als 70 000 Besucher sind bis jetzt über den Baumwipfelpfad in Bad Wildbad gewandelt, der im vergangenen Herbst eröffnet worden ist. Die gigantische Konstruktion aus Holz und Stahl hätte eigentlich bei Wiesensteig errichtet werden sollen. Doch daraus wurde bekanntermaßen nichts, weil sich der Investor, die Erlebnis Akademie aus dem bayrischen Bad Kötzting, aufgrund eines langen Hin und Her im September 2012 verärgert zurückgezogen hat.

 

Angesichts der Entwicklung im Schwarzwald fühlen sich die Befürworter und die Gegner des Projekts auf der Schwäbischen Alb in ihren Positionen gleichermaßen bestätigt. Hatten sich die einen ein deutliches Plus bei den Gästezahlen erhofft, befürchteten die anderen einen Massenansturm samt Verkehrskollaps. Doch der lang anhaltende Zoff um den Baumwipfelpfad soll in Wiesensteig nun keine Rolle mehr spielen. Der Blick geht nach vorn. Dieses Ziel hat sich zumindest eine Arbeitsgruppe namens Runder Tisch Tourismus auf die Fahnen geschrieben, die ein gutes Dutzend Bürgerinnen und Bürger ins Leben gerufen hat.

Ideen sammeln und Vorschläge entwickeln

„Wir wollen gezielt nach Wegen und Ansätzen zu suchen, wie man trotz unserer Vorgeschichte den Tourismus in und für Wiesensteig aktivieren kann“, sagt Wolfgang Hauser, einer der beiden Sprecher der Gruppe. Und sein Kollege Thomas Straub ergänzt: „Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass wir unsere Tourismusaktivitäten gezielt und im Einklang mit unserer Bürgerschaft entwickeln.“ Deshalb hat die Gruppe zunächst einmal den Gewerbe- und Fremdenverkehrsverein als Kooperationspartner und die Agentur Pronatour Deutschland als professionellen Unterstützer sowie als Moderator der Diskussion gewonnen.

Gemeinsam hat man jetzt einen Workshop auf die Beine gestellt, zu dem an diesem Samstag rund 40 Interessierte im katholischen Gemeindehaus erwartet werden. „Mit der Veranstaltung wollen wir zum einen die aufgerissenen Gräben endgültig zuschütten und zum anderen Ideen sammeln und Vorschläge entwickeln, wie es wieder vorwärts gehen kann“, betont Straub und liegt damit auf einer Linie mit dem Pronatour-Geschäftsführer Martin Vodicka. Dieser hat sich bereits vor Ort ein Bild von Wiesensteig gemacht und ist guter Dinge, was den Neustart angeht.

Workshop soll ein „Wachrüttler“ sein

„Ich will keine übertriebenen Erwartungen wecken, und wir werden am Samstag auch gewiss keine Maßnahmen beschließen, die sich mal auf die Schnelle umsetzen lassen“, erklärt Vodicka. Vielmehr gehe es darum, sich gemeinsam Gedanken zu machen und die in Wiesensteig durchaus vorhandenen touristischen Potenziale zu ermitteln. „Ich sehe den Workshop als Wachrüttler und als Startschuss für einen Prozess des Nachdenkens“, fügt er hinzu.

Seine eigenen Vorschläge und andernorts bereits umgesetzte Beispiele will Vodicka daher nur dosiert einspeisen. „Dieser erste Schritt dient vor allem dazu, Ideen zu sammeln, ohne diese gleich zu bewerten oder gar abzutun“, gibt er die Marschrichtung vor. Womöglich sei es sogar ratsam, erst mal kleinere Brötchen zu backen und dafür die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, ergänzt Vodicka. Die Frage, ob die Situation dies nicht ohnehin erfordert, beantwortet der Agenturchef eindeutig: „Ohne den Blick zurück richten zu wollen, stehen hier die Investoren natürlich nicht gerade Schlange.“

Kommentar

Erschwerte Bedingungen

Zweieinhalb Jahre sind ins Land gegangen, seit der Streit über den Baumwipfelpfad die Wiesensteiger Bürger entzweit hat. Befürworter und Gegner der geplanten touristischen Attraktion sind sich, im besten Fall, aus dem Weg gegangen. Kommunikation? Fehlanzeige.

Ob die Zeit die damals geschlagenen Wunden geheilt hat, muss sich zwar erst noch zeigen. Lobenswert ist die Gründung der von privater Seite ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe Runder Tisch Tourismus aber auf alle Fälle. Zum einen zeigt der Vorstoß, dass es im Städtle durchaus Leute gibt, die das Gewesene hinter sich lassen wollen. Zum anderen bietet der zunächst einmal informelle Charakter der Initiative jedem Kritiker die Gelegenheit, sich unverbindlich – und unvoreingenommen – ein Bild von den künftigen Entwicklungspotenzialen zu machen.

Dass der Gewerbe- und Fremdenverkehrsverein mit im Boot sitzt, kann dabei nur von Vorteil sein. Und dass man sich in Pronatour einen touristischen Profi als Begleiter und Moderator angelacht hat, ist mitnichten ein Fehler. Zu viel darf aber zunächst nicht erwartet werden. Die Vorgeschichte sorgt für erschwerte Bedingungen, um Wiesensteig aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Hundert Jahre sollte dieser indes nicht dauern.