So lange Russland keine Gegenschläge auf eigenem Territorium fürchten muss, kann es den Krieg beliebig lange weitertreiben, sagt unser Berliner Korrespondent Norbert Wallet.

Berliner Büro: Norbert Wallet (nwa)

Soll die Ukraine mit westlichen Waffen auch Ziele auf russischem Boden angreifen dürfen, wie es die Ukraine vehement fordert? Darüber wird unter den ukrainischen Unterstützern derzeit kontrovers diskutiert.

 

Die ukrainische Position ist sehr verständlich. Die Stadt Charkiw zum Beispiel liegt dreißig Kilometer von der russischen Grenze entfernt und ist immer wieder Ziel russischer Raketen, die von Stellungen außerhalb der ukrainischen Grenzen abgefeuert werden. Eine wirkungsvolle Verteidigung müsste Angriffe auf die Raketenstellungen in Russland einschließen. Völkerrechtlich ist die Sache klar. Die Ukraine verteidigt sich gegen eine Invasion und hat das Recht im Rahmen ihrer Verteidigung auch Angriffe auf den russischen Territorium zu führen, sofern diese verhältnismäßig sind.

Stellt die Erlaubnis eine gefährliche Eskalation dar?

Die Debatte ist also rein politisch. Es geht darum, ob die Erlaubnis eine gefährliche Eskalation darstellt. Die Überlegung ist notwendig. Allerdings gibt es hier keine objektive Wahrheit. Die Eskalation liegt dann vor, wenn Moskau die neue Lage als Eskalation verstehen will.

Statt sich derart von Putins Strategen abhängig zu machen, sollte eher bedacht werden, was es bedeutet, der Ukraine den Einsatz weiter zu untersagen. Dann nämlich könnte Russland weiterhin nach Belieben seine grenznahen Gebiete als Rückzugs- und Ruheraum für seine Truppen, als Basis für seine Raketenstellungen und als Aufmarschgebiet und Raum für Umgruppierungen gebrauchen. Das heißt, dass Russland den Krieg im Prinzip beliebig lange weitertreiben kann. Auf Dauer ist das für die Ukraine unzumutbar.

Option keinesfalls vorzeitig vom Tisch nehmen

Es werden im Juni hochrangige Friedensgespräche in der Schweiz stattfinden. Es kann auch strategisch nicht schaden, wenn der Westen klarmachen kann, dass eine Kriegsfortsetzung auch für Russland ein riskantes Unterfangen wäre. Deshalb sollte man die Erlaubnis für den Waffeneinsatz jedenfalls keinesfalls vorzeitig vom Tisch nehmen.