Das Theater unter der Dauseck führt sein nächstes Stück in einem Einrichtungshaus auf – und die Zuschauer können es sich auf Betten und Sofas bequem machen. Die Regisseurin Christine Gnann erklärt, warum der ungewöhnliche Ort perfekt für die Aufführung ist.

Sachsenheim – - Christine Gnann führt Regie bei dem Stück mit dem Namen „Alice“ – und sie setzt auf klare Kontraste zu der Aufführung der Theatergruppe im vergangenen Jahr. Die 38-Jährige will die Zuschauer in eine Fantasiewelt entführen, und arbeitet dazu mit Profis und Laien. Ein Experiment, das auch schief gehen könne.
Frau Gnann, wieso führen Sie ein Theaterstück in einem Möbelhaus auf?
Wir wollten einen starken Kontrast zu unserem letzten Stück. Den „Schwabenaufstand“ im vergangenen Sommer haben wir in der alten Ziegelei in Markgröningen aufgeführt, also in einer unperfekten, verstaubten Umgebung. Ganz intuitiv ist mir als Gegensatz dazu ein Möbelhaus in den Sinn gekommen. Denn das repräsentiert gewissermaßen eine Hochglanzwelt und absolute Perfektion, schließlich gibt es dort nur neue Gegenstände. Dann haben wir uns umgeschaut – und die Inhaber des Sachsenheimer Möbelhauses waren ganz schnell damit einverstanden, dass wir dort spielen können.
Worum geht es in dem Stück?
Wir hatten schon von Anfang an überlegt, dieses Mal in den märchenhaft-fantastischen Bereich zu gehen. Das Möbelhaus ist dafür ideal: Diese Hyperrealität wollen wir ins Fantastische kippen lassen. Ziemlich schnell kamen wir auf die Geschichte von Alice im Wunderland. Als wir dann noch gemerkt haben, dass die Erzählung dieses Jahr 150 Jahre alt wird, war klar: das ist perfekt. Auch, weil es in dem Möbelhaus irrsinnig viele Spiegel und Accessoires gibt, die wie gemacht sind für diese Fantasiewelt. Allerdings werden wir Alice nicht eins zu eins wie im Original umsetzen.
Sondern?
Zum Beispiel werden wir Alice vervielfachen. Es wird sechs verschiedene Versionen von Alice geben, jede davon in einem anderen Alter und in einer anderen Lebenssituation. Aus jeder dieser Lebenslagen ergibt sich eine andere Problemstellung, aus der heraus sich die Figur dann in eine Traumwelt flüchtet. Vermutlich wird eine Szene beispielsweise zeigen, wie eine über 70-Jährige mit ihrer Enkelin im Möbelhaus einkaufen geht. Bei der Großmutter ist das Problem die Einsamkeit, die Enkelin hingegen zieht gerade mit ihrem Freund zusammen – bei ihr ist die Suche nach dem richtigen Lebenspartner ein Thema. Im Möbelhaus fallen dann beide in eine Traumsituation. Es geht um das Grundprinzip, dass die Story auf eine andere Ebene rutscht. Wir hangeln uns an den Figuren der Originalgeschichte entlang, bereiten das Kinderstück aber für Erwachsene auf. Letztlich soll es ein Stück für die ganze Familie werden.
Sie bleiben nicht an einer Stelle im Möbelhaus, sondern wechseln den Spielort von Szene zu Szene. Was erwartet die Besucher?
Es gehört zu unserem Konzept, dass wir eine Form des Theaterspaziergangs präsentieren. Bei Alice wird es acht bis zehn Szenen geben, die jeweils an einem anderen Ort gespielt werden. Die Zuschauer müssen uns dabei folgen, aber bei der jeweiligen Szene können sie es sich dann auf den Möbeln des Geschäfts bequem machen. Das ist von den Inhabern auch explizit so gewollt: Man darf sich auf Küchenstühle und Sofas setzen oder auch in ein Bett legen.
Welche Besonderheiten hat das Stück darüber hinaus?
Wir werden bei den Darstellungsformen in eine neue Richtung gehen. Unter anderem werden wir uns im Bereich des Puppenspiels versuchen. Außerdem planen wir, bei diesem Stück viel mit der Form des antiken Chors zu experimentieren, also zum Beispiel Sprechchöre einzusetzen. Das ist auch deshalb sinnvoll, weil wir dieses Mal unglaublich viele Mitspieler haben. Wir sind explizit keine feste Gruppe, sondern bei jedem neuen Stück wieder offen für alle, die mitspielen wollen. In diesem Jahr ist fast das gesamte Ensemble der letzten Vorstellung dabei geblieben, zusätzlich kamen neue Interessierte. Deshalb werden wir voraussichtlich statt der üblichen rund 30 etwa 50 Schauspieler haben.
Ihre Stücke sind stets eine Kooperation aus Profis und Laien. Wie funktioniert das?
Die Führungsriege, die sich um Regie, Ausstattung und Schauspieltraining kümmert, besteht komplett aus Profis. Die Schauspieler selbst sind hingegen ausschließlich Laien. Das funktioniert sehr gut. Zumal es bei uns nicht um Perfektion in dem Sinne geht. Die Rollen werden vielmehr danach verteilt, als welche Figur man jemanden gerne mal sehen würde. Oft ist es ein Experiment, das die Schauspieler noch einmal richtig fordert. Das kann auch schief gehen – ist es aber noch nie.