Sarah Bosetti war mit ihrem Programm „Ich will doch nur mein Bestes“ in der Rosenau zu Gast.

Stuttgart - Der Begrüßungsapplaus legt sich, und sie sagt kein Wort. Sie setzt sich, holt Luft, beginnt zu lesen: „Wo ich hin will? – Nirgendwohin.“ Die ersten Sätze ihres neuen Buchs „Ich bin sehr hübsch, das sieht man nur nicht so.“ Nach dem ersten Kapitel spricht Sarah Bosetti am Donnerstagabend in der Rosenau dann doch zum Publikum: „Ihr seid gar nicht so wenige – was macht ihr alle hier?“

 

Tja, was machen sie hier? Gekommen sind die meisten vermutlich, um ein paar witzige Geschichten zu hören. Und die kriegen sie auch. Nur: Das allein reicht Sarah Bosetti nicht. Sie will die Gäste ein bisschen fordern. Es beginnt harmlos: Die Hörenden mögen einfach mal gleichzeitig reinrufen, wie sie von dieser Veranstaltung erfahren haben. Das Wort „Zeitung“ ist zu vernehmen. „Aha, da hat also jemand Zeitung gelesen, das ist schön“, sagt Bosetti. Stimmt.

Die 33-jährige Autorin hat Filmregie studiert, aber eben irgendwann die Bühnenliteratur für sich entdeckt. Dass sie in der Poetry-Slam-Szene verkehrte, hört man ihr nicht an - sie spricht vergleichsweise unaufgeregt. Zudem geht sie auch auf Kabarettbühnen auf und ab. Ihr Programm „Ich will doch nur mein Bestes“ bestreitet sie allerdings sitzend. Dabei liest sie Passagen aus dem eingangs erwähnten Buch im Wechsel mit anderen Texten. Die tragen Titel wie „Wenn ich mal groß bin, will ich alt werden“ und enthalten solche Sätze: „Ich glaube, Blockflöten sind eigentlich gar keine Instrumente, sondern Stöcke im Stimmbruch.“ Auch mit Gehirnen beschäftigt sich die Wahlberlinerin. Bosetti: „Ein Thema, das uns eint, weil wir ja fast alle eins haben.“

Den Feminismus wird man los, indem man den Sexismus bekämpft

So wie in ihren Schriften Alltagssituationen lustige, aber scharf pointierte Entwicklungen nehmen, lauert auch während der Zwischenmoderationen immer wieder Gefahr. Regelmäßig bittet sie um ein lautes „Hier!“ und stellt Fragen à la „Wer ist erfolgreich? Wer ist klug? Wer ist klüger als der Mensch, mit dem er hergekommen ist?“ Da kann’s bei einer ungeschickten Reaktion schon passieren, dass man ohne selbigen wieder geht.

Doch wie gesagt: Bosetti ist nicht nur witzig. Ihr Kommentar zum Feminismus, dem sie auch gleich ein ironisches Plädoyer für den Sexismus folgen lässt, ist fantastisch. Ja, sagt sie, der Feminismus nerve, aber das nun mal mit Recht. Er sei ein notwendiges Übel, dessen man sich durchaus entledigen könnte: „Den Feminismus wird man los, indem man Sexismus bekämpft.“ Hierfür wird am lautesten geklatscht.

Eines wäre da aber zu bemäkeln: „Von einer, die auszog, das Scheitern zu lernen“ lautet der Untertitel ihres aktuellen Werks. Besäße das Adjektiv „tot“ einen Komparativ oder gar Superlativ, wäre man geneigt zu behaupten, das „Scheitern“ sei das tot getretenste Wort des gegenwärtigen Kulturbetriebs. Wie klug und komisch Bosetti sich dieses Sujets annimmt, kommt indes einer Wiederbelebung gleich.