Die französische Oscarpreisträgerin Marion Cotillard verrät, warum sie vor der Kamera lieber weint, als eine Sexszene zu spielen.

Stuttgart - Zum verabredeten Interviewtermin kommt Marion Cotillard zehn Minuten zu spät. „Es tut mir wirklich leid, dass Sie warten mussten. Sie haben bestimmt noch andere Dinge zu tun“, entschuldigst sie sich – als ob es etwas Wichtigeres gäbe, als ein Interview mit Marion Cotillard! Im Gespräch erklärt die 40-jährige Oscarpreisträgerin, warum ihr Part an der Seite von Michael Fassbender in „Macbeth“ eine besondere Herausforderung darstellte und wie sie es schafft, unerkannt durch Paris zu flanieren.
Die Rollen, die sie spielen, sind meistens intensiv und gehen unter die Haut. Wie werden Sie am Ende eines Arbeitstages wieder Marion Cotillard?
Als ich noch nicht Mutter war, da war das noch kein Problem. Da konnte ich einen Teil der Rolle mit nach Hause nehmen und es war höchstens für mich ein Problem. Sie haben es ja ganz richtig formuliert. Ich suche mir gerne komplexe, dramatische Rollen aus. Und jetzt wartet zu Hause mein Sohn auf mich. Da kann ich schlecht den Wahnsinn der Lady Macbeth mitbringen.
Wie werden Sie Lady Macbeth dann wieder rechtzeitig los?
Ich versuche, sie gewissermaßen auszuatmen, bevor ich die Tür zu meinem Privatleben öffne. Ich atme tief durch und hoffe, dass ich wieder halbwegs ich selbst bin.
Sind Sie weniger extrem, seit Sie Mutter geworden sind?
Das war auch die große Frage für mich. Ich weiß nicht, ob ich sie schon beantworten kann. Ich weiß nur, dass ich anders arbeite als früher. Als ich alleine war, bin ich die ganze Zeit – bildlich gesprochen – in meinem kleinen Swimmingpool geblieben. Und es spielte keine Rolle, dass ich nie trocken war. Das war ein Zustand, der monatelang anhalten konnte – selbst wenn die Dreharbeiten längst zu Ende waren. Das geht heute nicht mehr.
Sie spielen und sprechen in diesem Film die Lady Macbeth im englischen Original.
Fragen Sie mich nicht warum, aber ich wusste immer, ich werde eines Tages Lady Macbeth spielen. Manchmal weiß ich so etwas einfach. Aber ich dachte, ich würde sie in französischer Sprache auf der Bühne spielen. Shakespeare im Original zu spielen, war eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Ich finde, allein den Namen „Shakespeare“ korrekt auszusprechen, ist für eine Französin eine Herausforderung. . . (lacht).
Hatten Sie Shakespeare schon einmal im Original gelesen?
Nein, nur auf Französisch. Und ich musste wirklich mit dem Text arbeiten, um all die Schichten herauszuarbeiten. Und davon existieren sehr viele. Es ist ja noch nicht einmal zeitgenössisches Englisch. Die ganze Rolle war eine Art Forschungsreise für mich. Ich habe Monate an meiner Aussprache gearbeitet. Ich weiß, dass es nie perfekt wird. Aber wenn ich das akzeptiere, ist der Druck weg.
Warum wollen alle Schauspielerinnen die Lady Macbeth spielen?
Es ist eine der ultimativen Herausforderungen. Das hat einen besonderen Reiz. Ich hatte allerdings echte Schwierigkeiten, in diese Rolle hinein zu kommen, weil sie so finster ist. Zuerst habe ich mich dagegen gewehrt. Es war ein Kampf mit mir selbst. Diese Frau ist ein hartes Stück Arbeit und es macht keinen Spaß mit ihr zu leben. Und ich habe zum ersten Mal Druck gespürt. Das kenne ich eigentlich nicht.
Sie haben nie Angst zu versagen?
Als ich Edith Piaf gespielt habe, hat man mich immer wieder gefragt, wie ich mit dem Druck umgehe. Aber da war kein Druck. Denn ich kannte ihre Biografie vorher gar nicht und war vollkommen unschuldig. Diesmal war es anders. Diese Rolle ist ein Monument. Ich ich musste ständig an all diese fantastischen Schauspielerinnen denken, die sie vor mir gespielt haben.