Der geplante Mindestabstand von 1 000 Metern zwischen neuen Anlagen und Wohngebäuden würde der Windbranche in Deutschland vollends das Genick brechen, so die Auffassung vieler Experten. Nun macht das Wirtschaftsministerium einen ersten Rückzieher.

Berlin - In den Konflikt über die Zukunft der Windkraft kommt Bewegung. Anders als bisher geplant wird das Bundeskabinett in der kommenden Woche voraussichtlich keinen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, in dem die umstrittenen Regeln zum Mindestabstand neuer Anlagen an Land zu Wohnsiedlungen enthalten sind. Es gebe noch erheblichen Gesprächsbedarf, hieß es am Donnerstag in Koalitionskreisen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor Kompromissbereitschaft signalisiert.

 

Innerhalb der Koalition stemmt sich die SPD gegen den geplanten Mindestabstand von 1000 Metern, der die verfügbaren Flächen für neue Anlagen in Deutschland massiv reduzieren würde. „Wir werden nichts mittragen, was das Ziel infrage stellt, den Anteil der Erneuerbaren auf 65 Prozent zu erhöhen“, hieß es aus dem SPD-Lager.

Länder bündeln ihre Kräfte

Das CDU-geführte Wirtschaftsministerium und das SPD-geführte Umweltressort wollten sich auf Anfragen nicht näher zu dem Vorgang äußern und verwiesen auf die laufende Ressortabstimmung. Für Freitag planen die Ministerpräsidenten der norddeutschen Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen einen gemeinsamen Auftritt in Berlin, bei dem es um die Krise in der Windkraftindustrie gehen soll. Weil der Ausbau der Windkraft in Deutschland bereits jetzt nahezu zum Erliegen gekommen ist, fallen in der Branche Tausende Arbeitsplätze weg.

Ursprünglich hatte das Wirtschaftsministerium vorgeschlagen, im Gesetz über den Kohleausstieg auch Regelungen zu den erneuerbaren Energien zu verankern. Besonders umstritten war der Vorschlag, das der 1000-Meter-Mindestabstand zwischen den Masten neuer Windräder und Wohngebäuden bereits bei Siedlungen gelten soll, die nur aus fünf Häusern bestehen. Schätzungen zufolge würde das den Umfang der verfügbaren Flächen für neue Windkraftanlagen um 40 Prozent verringern. Die ambitionierten Ausbauziele wären dann nicht mehr erreichbar. Gegen die Pläne laufen auch Industrie, Verbände und Gewerkschaften Sturm.

Investitionsstopp befürchtet

Nun gibt es aber einen neuen Referentenentwurf aus dem Wirtschaftsministerium zum Kohleausstieg, in dem die Winkraft und auch die Fotovoltaik gar nicht mehr vorkommen. Das Thema werde in einem gesonderten Verfahren behandelt, heißt es. Der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer äußerte am Donnerstag im Gespräch mit unserer Redaktion die Befürchtung, dass sich die Regierung damit Zeit lässt und erst im kommenden Frühjahr eine kleine Novelle auf den Weg bringt. Bis dahin dürften etliche Projekt auf Eis gelegt werden. „Die Erneuerbaren-Branche braucht Klarheit, ob sie noch in diesem Land gewollt ist“, sagte Krischer.

Mit dem Kohleausstieg wird sich das Kabinett voraussichtlich in der nächsten Woche befassen. Allerdings gibt es bisher nur Vorschläge für den Ausstieg aus der Steinkohle. Kraftwerksbetreiber sollen Prämien erhalten, wenn sie Anlagen abschalten. In Bezug auf die Braunkohle verhandelt der Bund noch mit den Unternehmen über Entschädigungszahlungen.