Nach einigen Jahren der Verbesserung ist die Zahl der durch Schulden belasteten Haushalte in der Region Stuttgart wieder gewachsen. Das gilt vor allem für die Landeshauptstadt.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Anders als im Landestrend ist in der Region Stuttgart die Zahl der überschuldeten Haushalte im vergangenen Jahr gestiegen, allerdings nur leicht, um plus 327 Personen, von 187 347 am Stichtag 2018 auf 187 674 im Jahr 2019. Das hat die Auskunftei Creditreform in ihrem aktuellen Schuldneratlas ermittelt. Im Jahr davor hatte die Zahl der überschuldeten Haushalte deutlich um 2488 abgenommen, von 2016 auf 2017 lag das Minus sogar bei 3024. Dennoch ist die sogenannte Schuldnerquote, also die Zahl der überschuldeten Personen im Verhältnis zur Einwohnerzahl, in der Region leicht gesunken, von 8,18 auf 8,13 Prozent. Der Grund sei „der Bevölkerungsanstieg durch Zuwanderung“, erklärte Thomas Schlegel, geschäftsführende Gesellschafter von Creditreform Stuttgart.

 

Wie ist die Lage in der Landeshauptstadt?

Anders als in den vorherigen beiden Jahren ist die Zahl der überschuldeten Haushalte im vergangenen Jahr hier nicht zurückgegangen, sondern von 53 790 auf 54 197 wieder leicht gestiegen, das sind plus 407 Fälle. Die Schuldnerquote ist aber bei 10,14 Prozent gleich geblieben.

Bei der Schuldnerquote liegt Stuttgart über dem Landesschnitt (8,23 Prozent). Das ist nicht überraschend, da es in Großstädten gewöhnlich besonders viele überschuldete Haushalt gibt, schon weil dort „die Lebenshaltungskosten und die Mieten höher und die Konsummöglichkeiten größer sind“, so Schlegel. Bei den Stadtkreisen im Land liegt Stuttgart auf Platz fünf, hinter Pforzheim (Schuldnerquote 15,09 Prozent), Mannheim (13,95), Heilbronn (11,75), Baden-Baden (10,23).

Wie ist die Lage in den Landkreisen?

In den Landkreisen der Region leben weniger verschuldete Haushalte als in Stuttgart. Der Kreis Böblingen hat die geringste Quote mit 6,78 Prozent, die absolute Zahl der Betroffenen (21 693) ist gleich geblieben. Sogar deutlich geringer geworden ist die Zahl der Schuldner im Rems-Murr-Kreis (minus 437 auf 27 697), die Quote liegt bei 7,87 Prozent). In den anderen Kreisen haben die Zahlen leicht zugenommen. Kreis Esslingen: jetzt 32 123, Quote 7,26 Prozent; Ludwigsburg: 33 944, 7,59 Prozent; Göppingen: 18 020 Personen, 8,46 Prozent. 

Welche Unterschiede gibt es in den Stuttgarter Stadtbezirken?

Die höchste Schuldnerquote hat der Bezirk Mitte (16,15 Prozent), vor Wangen (14,72), Zuffenhausen (13,98), Bad Cannstatt (13,09) und dem Osten (12,36), die geringste haben Sillenbuch (6,20 Prozent), Birkach (6,34) und Vaihingen (6,44). Unerfreulich sei, sagt Thomas Schlegel, dass die Schuldnerquote in den drei am meisten betroffenen Bezirken anders als in vielen anderen erneut zugenommen habe. Schlegel sieht einen „Trend zur Verfestigung“ der Lage.

Was sind die Hauptursachen?

Zu den Hauptgründen für die Überschuldung von Privathaushalten zählen nach wie vor Arbeitslosigkeit, Trennung und Scheidung, Krankheit, eine nichtwirtschaftliche Haushaltsführung oder gescheiterte Selbstständigkeit. Bei einer genaueren Betrachtung haben die Statistiker von Creditreform nun noch eine weitere Ursache ausgemacht: langfristiges Niedrigeinkommen. „Etwa neun Prozent der Überschuldeten haben Arbeit, aber sie verdienen zu wenig für den Lebensunterhalt“, sagt Thomas Schlegel.

Wer gilt als überschuldet?

In den Schuldenatlas werden Personen aufgenommen, „deren Ausgaben dauerhaft höher sind als deren Einkommen“. Kriterium dafür sind juristische Vorgänge, ein Antrag auf Restschuldbefreiung im Privatinsolvenzverfahren oder unstrittige Inkassofälle. Von „hoher Überschuldungsintensität“ spricht der Atlas in diesen Fällen, weil „nachhaltige Zahlungsstörungen“ vorhanden seien. Eine „geringe Überschuldungsintensität“ liegt vor, wenn „mindestens zwei, meist aber mehrere vergebliche Mahnungen von mehreren Gläubigern“ vorliegen.

Wie ist der Grad der Verschuldung?

Sortiert man die Zahlen nach Überschuldungsintensität, zeigt sich: die hohe Verschuldung hat abgenommen, die der niedrigeren ist deutlich gewachsen. Region, hohe Überschuldungsintensität 2018: 112 889 Fälle, 2019: 108 255, minus 4634; niedrige Überschuldungsintensität 2018: 74 458 Fälle, 2019: 79 419, plus 4961. Die Frage ist, ob darin vor allem eine Umschichtung durch Schuldenabbau von der einen in die andere Gruppe zu sehen ist. Thomas Schlegel kann sich aber auch vorstellen, dass „zunehmend mehr Personen mit ihrem Einkommen nicht auskommen und in Schuldenstress geraten“.

Was sagt die Schuldnerberatung?

Bei der Schuldnerberatung der Stadt Stuttgart hat man den Eindruck, dass etwa „Teilzahlungsgeschäfte und Mikrokredite tendenziell zugenommen haben“, sagt Leiter Reiner Saleth. Für das Hauptproblem hält er aber den Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Die hohen Mieten „fressen den Leuten das Geld weg“, sagt Saleth. Immerhin hat er für die Betroffenen, die Beratung benötigen, eine gute Nachricht: Dank zusätzlicher Stellen habe man die Wartezeiten von bis zu zwei Jahren auf sechs Monate reduzieren können.

Wie sind die Erwartungen für 2020?

Angesichts des geringeren Wirtschaftswachstums und der großen Herausforderung gerade für die Industrie in der Region Stuttgart ist Thomas Schlegel nicht gerade optimistisch. Schon in der zurückliegenden sehr guten Konjunktur hätten zu wenig Menschen die Chance zum Schuldenabbau genutzt. Schlegel: „Wenn die Abnahme in guten Zeiten gering ist, wie wird sie dann erst in schlechten sein?“