Sportvereine müssen mehr tun, um Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen, fordert die SPD im Landtag. Dafür sei größere Unterstützung durch die Landesregierung nötig.

Stuttgart - Eine junge Schwimmerin berichtet darüber, dass sich die Jungen über ihre Figur lustig machten und sie anfassten, eine Boxerin erzählt von der Zudringlichkeit durch ihren Trainer, ein kleiner Fußballer von den Übergriffen einer Betreuerin. Mit dem Video auf seiner Internetseite will der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) Kinder und Erwachsene sensibilisieren. Sie sollen bei solchen Vorkommnissen nicht schweigen oder wegsehen, sondern Hilfe suchen beziehungsweise einschreiten.

 

Auch im Sport ist sexualisierte Gewalt ein Thema. In Baden-Württemberg verzeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik für Baden-Württemberg 2018 sechs Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Zusammenhang mit Sport, 2017 waren es sieben. Die Dunkelziffer dürfte allerdings weitaus höher sein. Im Rahmen einer Studie, die die Deutsche Sporthochschule Köln, die Universitätsklinik Ulm und die Deutsche Sportjugend zwischen 2014 und 2017 durchführten, gaben mehr als ein Drittel der befragten Leistungssportlerinnen und -sportler zu dem Thema an, negative Erfahrungen gemacht zu haben.

Für viele Vereine kein Thema?

Für den Breiten- und Freizeitsport fehlen bisher entsprechende Untersuchungen. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland will das ändern und hat kürzlich Betroffene aufgerufen, sich zu melden. Unterstützt wird die Kampagne auch vom DOSB, der Sportjugend und dem Landessportverband.

Bereits 2010 hat der Landessportverband Baden-Württemberg mit seiner Sportjugend eine Erklärung zu Kindeswohlgefährdung, sexualisierter Gewalt und Missbrauch im Sport beschlossen und ein Präventionskonzept sowie einen Handlungsleitfaden erstellt. Den rund 11 500 Sportvereinen wurden diese Hilfen zur Verfügung gestellt, damit sie ebenfalls Vorsorge treffen und bei entsprechenden Vorfällen möglichst schnell reagieren können.

Allerdings haben noch längst nicht alle Vereine, die Kinder und Jugendsport anbieten, ein eigenes Schutzkonzept erarbeitet. Bei den Vereinen finde zu wenig Prävention vor sexualisierter Gewalt statt, kritisiert deshalb Andreas Kenner, sportpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag. Es gehe nicht darum, „die vielen ehrenamtlichen Trainer und Übungsleiter, die eine hervorragende Arbeit leisten, unter Generalverdacht zu stellen“, sagt Kenner. Aber es müssten Wege gefunden werden, wie „wir den wenigen schwarzen Schafen habhaft werden und derartige Übergriffe in Zukunft vermeiden können“. Das sei auch im Interesse der Vereine.

Förderung nur bei Schutzkonzept?

Kenner fordert, dass Vereine mittelfristig nur noch von den Kommunen gefördert werden sollen, wenn sie ein Kinderschutzkonzept vorweisen. Das sei bisher jedoch weder verpflichtend noch erfasst. „Damit wird die Landesregierung ihrer Null-Toleranz Politik gegenüber jeglicher Form von sexueller Gewalt nicht gerecht“. Die Regierung dürfe sich nicht auf dem Rücken der Verbände ausruhen, sondern müsse die Vereine dabei unterstützen, „jegliche Form von sexualisierter Gewalt im Sport zu verhindern“.

Auch Tobias Müller, Vorsitzender der Baden-Württembergischen Sportjugend im Landessportverband, bedauert, dass der Kinderschutz noch nicht in allen Vereinen umgesetzt ist. Der Verband selbst sowie die drei Sportbünde – Südbaden, Nordbaden und Württemberg – haben inzwischen Ansprechpartner benannt, an die sich Betroffene vertraulich wenden können. Diese bieten auch Beratung, Information und Fortbildung an und helfen Vereinen, Präventionskonzepte zu erstellen. Mancherorts brauche es aber noch Überzeugungsarbeit, dass Vorbeugemaßnahmen wichtig seien, sagt Müller.

In manchen Kommunen müssen bereits Haupt- und Ehrenamtliche, die direkt und ohne Aufsicht mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Personen, die etwa wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen oder wegen Verstoßes gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht rechtskräftig verurteilt wurden, sollen auf diese Weise von Kindern und Jugendlichen ferngehalten werden. Aus Sicht von Müller ist das ein Baustein von vielen weiteren. Nötig seien in jedem Verein klare Regeln zum Umgang mit Nähe und Distanz zwischen Erwachsenen, Erwachsenen und Minderjährigen und auch zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander. Es brauche natürlich auch einen respektvoller Umgang mit allen.