Daran hätte Volker Bouffier noch vor wenigen Wochen in seinen kühnsten Träumen nicht geglaubt. Der Ministerpräsident macht sich am Mittwoch selbst ein Geschenk und stellt an seinem 62. Geburtstag den Koalitionsvertrag mit den Grünen vor.

Wiesbaden - Dass er an seinem 62. Geburtstag erstmals im Leben in eine Fraktionssitzung der Grünen geht und dort auch noch einen gemeinsamen Koalitionsvertrag mit der CDU präsentiert, hätte Ministerpräsident Volker Bouffier noch vor wenigen Wochen in seinen kühnsten Träumen nicht geglaubt. Am Mittwoch aber ist es so weit: Um 11.30 Uhr kommt der CDU-Politiker vor dem Fraktionssaal seines künftigen Regierungspartners im Kavaliersbau des Wiesbadener Landtags an und sagt den doppeldeutigen Satz: „Der Weg war gar nicht so weit.“ Das mag rein geografisch gesehen richtig sein, in der Sache aber lagen zwischen CDU und Grünen in der Vergangenheit Welten.

 

Doch mit ihrem jetzt von Bouffier und Grünen-Chef Tarek Al-Wazir gemeinsam vorgestellten Koalitionsvertrag wollen sie das Land zusammen „verlässlich gestalten - Perspektiven eröffnen“. So jedenfalls lautet der offizielle Titel des 106 Seiten umfassenden Papiers, das die Unterhändler von CDU und Grünen binnen nur drei Wochen gezimmert haben.

Al-Wazir gibt den Vorsitz seiner Partei ab

Die erste Hürde nimmt der Vertrag gleich auf Anhieb: Fraktion und Landesvorstand der CDU votieren am Mittwoch einstimmig für die Vereinbarungen. Die Landtagsabgeordneten der Grünen verzichten auf eine Abstimmung über das wesentlich von ihnen selbst mit ausgehandelte Vertragswerk, sie wollen aber auf dem Landesparteitag am Samstag dafür werben.

Al-Wazir, den am Dienstagabend der Landesvorstand seiner Partei offiziell als neuer Wirtschafts- und Verkehrsminister nominiert hatte, hat „gar keinen Zweifel“ an einer klaren Mehrheit dafür. Neben ihm soll die Bundestagsabgeordnete Priska Hinz als künftige Umweltministerin die Grünen am Kabinettstisch vertreten. Den Landesvorsitz seiner Partei gibt Al-Wazir aber wegen des neuen Amts auf.

Dass in der CDU-Fraktion am Vormittag Sekt gereicht wird, ist sowohl dem Geburtstag des alten und neuen Regierungschefs als auch der Feierstimmung über den neuen Aufbruch mit den jetzt vom Feind zum Freund gewordenen Grünen geschuldet. Auch das war vor kurzem noch undenkbar: Al-Wazir und Grünen-Spitzenkandidatin Angela Dorn werden als Gäste in der CDU-Fraktion mit Beifall empfangen. Bouffier schenkt seinem künftigen Mitstreiter eine schwarz-grüne Krawatte, schließlich müsse der ja als neuer Wirtschaftsminister nun doch öfter mal Schlips tragen.

Grüner Veltliner für den Ministerpräsidenten

Noch originellere Geschenke gibt es für Geburtstagskind Bouffier bei den Grünen, auch wenn die sich mit Beifall zurückhalten – schließlich soll vor der Landesmitgliederversammlung keine allzu große Nähe zur CDU demonstriert werden. Dass Volker Bouffier an seinem Hochzeitstag, den er nicht mit seiner Frau, sondern am Verhandlungstisch mit den Grünen verbrachte, Tarek Al-Wazir das Du angeboten und er es angenommen hat, verrät der 42-Jährige später dennoch. Doch erst einmal bekommt der Ministerpräsident eine Flasche Grüner Veltliner und einen Blumenstrauß mit einem grünen Frosch darin. Bouffier verspricht artig, ihn auf seinen Schreibtisch in der Staatskanzlei zu stellen. Nicht ganz so gut kommt der in Anspielung auf sein Lieblingsfrühstück überreichte „vegane Fleischsalat“ an. „Bin gespannt, wie der schmeckt“, reagierte er trocken.

Nach all den Besuchen und Feierlichkeiten aber obliegt es Bouffier und Al-Wazir am Mittag, den Koalitionsvertrag auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorzustellen. Der CDU-Politiker gibt zu, nicht alles darin Enthaltene sei seiner Partei leicht gefallen. Insgesamt aber sei der Vertrag „eine sehr gute Grundlage“ für eine stabile und verlässliche Regierungsarbeit für die kommenden fünf Jahre. Und um allen Spekulationen vorzubeugen, stellt Bouffier auch sogleich klar, dass er selbstverständlich für die gesamten fünf Jahre als Regierungschef antrete und nicht daran denke, den Stab mitten in der Wahlperiode an einen Jüngeren abzugeben.

Der Satz, dass trotz aller Gemeinsamkeiten die hessische CDU und die hessischen Grünen sie selbst blieben, hört der neben ihm sitzende Al-Wazir gerne. Schließlich hatte er Bouffier im Wahlkampf noch als Rechten beschimpft, und umgekehrt die CDU die Grünen als Steuererhöhungs- und Bevormundungspartei. Jetzt hebt Bouffier lobend hervor, beide Koalitionspartner setzten auf Freiheit und Verantwortung des Einzelnen, wollten einen zwar helfenden, aber eben nicht bevormundenden Staat. Auch dass mit Al-Wazir nun ein Grüner die Zuständigkeit für Wirtschaft erhält, sei der CDU nicht leicht gefallen, räumt er ein. Doch ohne diesen Preis hätte es der ehrgeizige Sohn eines jemenitischen Vaters und einer deutschen Mutter kaum gemacht, und schließlich kann er mit diesem Pfund auch auf der Mitgliederversammlung wuchern: Für den Frankfurter Flughafen ist dann Al-Wazir zuständig und nicht mehr wie bisher der wirtschaftsnahe FDP-Mann Florian Rentsch.