Vor dem Stress seiner Show „Schwerelos“ hat er sich in ein Kloster zurückgezogen. Samuel Koch sagt im Interview, was einen stark, aber auch leicht macht, wie wichtig dabei Humor ist und was er dem verunglückten Eishockeyspieler Mike Glemser rät.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Was im Kopf des verunglückten Eishockey-Profis Mike Glemser aus Stuttgart vorgeht, der vom Hals abwärts fast vollständig gelähmt ist, kann sich Samuel Koch sehr gut vorstellen. Man sieht’s ihm an: Er leidet mit. „Eine ganz ekelhafte Zeit muss Mike jetzt nach seinem Unfall durchstehen“, sagt der frühere Geräteturner, dessen verhängnisvoller Sturz bei „Wetten, dass...“ im Oktober 2010 die Nation tief getroffen hat.

 

Koch spricht mit gedämpfter Stimme darüber, nennt sich selbst einen „Holzkopf“, weil er mit 23 Jahren meinte, mit Sprungstiefeln über ein fahrendes Auto wirbeln zu müssen und sich dabei „viermal das Genick“ brach. „Man hat mir danach immer neue Rollstuhlfahrer ans Bett geschoben, die mir sagen sollten, das Leben sei auch mit Querschnittslähmung schön“, erinnert er sich.

„Das Leben geht weiter ... als man denkt“

Dies werde dem Eishockeyspieler nun wahrscheinlich ähnlich ergehen. Ihn habe das damals wahnsinnig aufgeregt, weil man kurz nach einem lebensverändernden Ereignis erst einmal mit sich selbst klar kommen müsse und für das Schicksal anderer nicht empfänglich sei. Dass die öffentliche Anteilnahme für Mike Glemser groß ist, sei aber gut, findet Koch. Bei ihm war sie es auch. Ganz wichtig sei es, dass man spüren könne: Du bist nicht allein!

„Das Leben geht weiter“, sagen Gesunde oft, weil sie meinen, damit vom Schicksal gebeutelte Menschen aufrichten zu können. Diesen Allerweltsspruch ergänzt Samuel Koch sehr schön: „Das Leben geht weiter als man denkt.“ Bestimmt hat sich der heute 35-Jährige kurz nach dem Unglück in der Live-Fernsehsendung nicht denken können, eines Tages mit eigenem Programm durch große Hallen in Deutschland touren zu werden. Er lebt vor: Mit Behinderung kommt man weiter als man denkt – als Vorbild aber sieht er sich nicht.

Der Titel seiner Show lautet: „Schwerelos - Wie das Leben leichter wird“. Am 21. Mai steht die Liederhalle auf dem Tourplan. „Es wird ein Abend voller Spaß, Hoffnung und echter Gefühle“, sagt er – und verspricht „Valuetainment“, ein Mix aus wertvollen Denkanstößen und Entertainment sozusagen. Mit einem Schwungrad wird er wie schwerelos über die Bühne schweben, einen Kinderchor und die Band seines Bruders mitbringen sowie einen „Stuttgarter Überraschungsgast“. Wie er begeistert davon spricht, bekommt man Lust, sich das anzuschauen.

Das Buch ist ein Spiegel-Bestseller

Das Programm nach seinem Buch, das ein Spiegel-Bestseller ist, liegt ihm sehr am Herzen. Deshalb nimmt der Schauspieler und Autor die Strapazen einer Promotour in Kauf. Am Tag, an dem wir uns treffen, ist er früh morgens in Basel gestartet, hat erst in Ludwigsburg bei einem privaten Radiosender ein Interview gegeben, sich dann in der Liederhalle angeschaut, ob er im Rollstuhl backstage und auf die Bühne überall hin kann, und eilt schließlich ins SWR-Funkhaus, wo er vor den Gesprächen live in der „Landesschau“ und dem Promitalk (mit Jörg Assenheimer von SWR 4) mit unserer Redaktion in einem Radiostudio spricht.

Mehrfach entschuldigt sich Samuel Koch, dass er sich mit seinen beiden Mitarbeitern – staubedingt – verspätet hat. Damit der Zeitungsjournalist nicht noch länger warten muss, schlägt er vor, dass dieser die ersten Fragen schon stellt, während die Maskenbildnerin ihn für die spätere Fernsehsendung schminkt. So was nennt sich Multitasking. Ob er seinem Körper nicht zu viel zumutet bei all dem, was er macht? „Es könnte sein“, antwortet Koch, „aber deshalb war ich, bevor das alles mit der Tour losging, für drei Tage ganz allein in einem Kloster.“

Wenn die eigenen Ansprüche ein bisschen „gesundschrumpfen“

Andere Menschen gestikulieren mit den Händen. Samuel Koch, der Ensemblemitglied am Nationaltheater Mannheim ist, macht dies mit den Augenbrauen, die nach oben gehen, wenn er etwas betont. Sein Gesicht wirkt entspannt, bei all dem Stress, die Stimme bleibt ruhig und sanft. Tiefgründig spricht er, etwa darüber, was einen im Leben nach unten zieht, wie man Ballast abwerfen kann und bei welchen Lasten es sich lohnt, sie doch zu tragen. Gerade in harten Zeiten wie beim Ukraine-Krieg oder der Pandemie komme es darauf an, sich im Inneren leicht zu machen. Wie einem das gelingen kann, erklärt Koch so: „Mit ein bisschen gesundgeschrumpften Ansprüchen an sich selbst und die Welt lebt es sich eindeutig viel leichter.“

Auf jedem Niveau könne man klagen, weiß er, aber auf jedem Niveau auch glücklich sein. Als Coach sieht er sich nicht, schon gar nicht als Vorbild. Es gebe „keine universelle Betriebsanleitung im Umgang mit schweren Zeiten“. Jedes Lob, das man ihm macht scheint er abwehren zu wollen oder schwächt es ab. Wichtig ist, sagt er schließlich, der Humor. „Lachen ist wahnsinnig gesund“, weiß der 36-Jährige. Mit seiner Frau Sarah Elena Timpe lacht er viel, die er vor dem Tourstart in Dresden besuchen wird, wo sie gerade Theater spielt.

Der Traum von der Schwerelosigkeit

Seine Show, die sich an jedem Abend ändert (das Publikum stimmt ab über das Programm des zweiten Teils), will witzig sein, aber gleichzeitig zum Um- und Neudenken anregen, die Kräfte vorführen, die man entwickeln kann, wenn nicht alles rund läuft.

Seine Energie, mit der Koch darüber spricht, wirkt ansteckend, aber Nichtbehinderte werden wohl nie verstehen, wie das Leben mit Einschränkungen ist, egal wie groß diese sind. Den Traum von der Schwerelosigkeit kann der sympathische Blondschopf nicht erfüllen. In einem „240 Kilo schweren Rollstuhl-Demutspanzer“ sitzt er, wie der Showmann sagt, und will daraus dem Publikum mit seiner Lebensfreude Leichtigkeit schenken. Das könnte spannend werden!

Karten für die Show „Schwerelos“ von Samuel Koch am Sonntag, 21. Mai, 19 Uhr, Liederhalle bei Easy Ticket unter 0711 - 2 555 555.

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