Der verheerendste Unfall in der Geschichte der Stadtbahnen: In Wangen fährt ein Zug der Linie U 4 auf einen der Linie U 9 auf. Im stark deformierten Führerhaus wird eine 47 Jahre alte Stadtbahnfahrerin schwer verletzt. Eine 26-Jährige schwebt in Lebensgefahr.

Es ist eines der schwersten Stadtbahn-Unglücke seit ihrer Einführung im Herbst 1985. Und es lässt sogar den Oberbürgermeister an den Unfallort in Wangen eilen. Bei der Kollision zweier Stadtbahnen hat es demolierte Züge und zahlreiche Verletzte gegeben. „Ich bin betroffen von der Dimension und dem Ausmaß des Unfalls“, sagt Frank Nopper.

 

Ein Zug der Linie U  4, der in Richtung Untertürkheim unterwegs war, ist gegen 10 Uhr in der Inselstraße in das Heck einer stehenden Stadtbahn der Linie U 9 gekracht. Die U 9 hatte auf dem Weg nach Hedelfingen angehalten. Die Wucht des Aufpralls war so groß, dass der Zug entgleiste.

Unfallursache unklar

Insgesamt wurden bei dem Unfall 15 Personen verletzt. „Ein Fahrgast musste reanimiert werden“, sagt Polizeisprecher Stephan Widmann. Die 26 Jahre alte Frau schwebte bis Redaktionsschluss in Lebensgefahr. Die im stark deformierten Führerhaus der hinteren Stadtbahn eingeklemmte Fahrerin musste von der Feuerwehr mit hydraulischem Schneidewerkzeug befreit werden. Die 47-Jährige kam mit schweren Verletzungen in eine Klinik. Neun weitere Fahrgäste, die beim Eintreffen der Rettungskräfte auf der Straße saßen beziehungsweise lagen, wurden an Ort und Stelle versorgt und dann in Kliniken gebracht. Sie hatten mittelschwere Verletzungen. Vier weitere Verletzte begaben sich selbstständig in ärztliche Behandlung.

Fahrtenschreiber und Videoaufnahmen werden ausgewertet

Der Schaden beläuft sich nach einer ersten Schätzung des Technischen Vorstands der Stuttgarter Straßenbahnen AG, Thomas Moser, auf insgesamt rund eine Million Euro. Bei der Stadtbahn der Linie U 9 sei mit Reparaturkosten von rund 200 000 Euro zu rechnen. Der Löwenanteil wird offenbar für die Instandsetzung der U 4 benötigt. Zur Unfallursache konnte der SSB-Vorstandssprecher noch nichts sagen. „Sie wird in den nächsten Tagen ermittelt werden.“ Neue Erkenntnisse erhoffe man sich unter anderem von der Auswertung des Fahrtenschreibers und den Videoaufnahmen aus dem Inneren der Bahnen. „Ganz grundsätzlich darf der Bremsweg einer Stadtbahn nicht unterschätzt werden“, sagt er. Sie bringe 60 Tonnen Gewicht auf die Gleise. An der Unfallstelle seien die Bahnen typischerweise mit 40 Kilometer pro Stunde unterwegs. „Da hat man in etwa einen Bremsweg von rund 30 Metern.“

Noch ist jedoch unklar, ob die Fahrerin des hinteren Zugs überhaupt versucht hat, diesen zu stoppen. Bisher kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie an der übersichtlichen Stelle möglicherweise aufgrund eines medizinischen Notfalls ungebremst auf die stehende Stadtbahn aufgefahren ist.

Teilweise waren während der Unfallaufnahme mehr als 140 Kräfte im Einsatz. Beide Stadtbahnen mussten abgeschleppt, der Zug der U 9 zudem noch eingegleist werden. Gegen 15.30 Uhr war die Bergung abgeschlossen, im Anschluss wurde die Strecke wieder für den Verkehr freigegeben.

Die beiden am Unfall beteiligten Stadtbahnzüge, die in Betriebshöfe gebracht wurden, sind schon lange im Netz unterwegs. Der Wagen mit der Nummer 4198 ist Baujahr 1993. Er wurde – wie zahlreiche andere Bahnen der SSB – nach 20 Jahren Betriebszeit 2013 einer grundlegenden Sanierung unterzogen, um für weitere Jahre im anspruchsvollen Netz der SSB mit zahlreichen Steigungsstrecken fit zu sein. Der zweite Zug, der Wagen 3308, stammt aus dem Jahr 1999.

Der Unfall in Wangen erinnert an ein Unglück, das sich am 26. November 2002 am Cannstatter Wilhelmsplatz ereignet hatte. Zwei Stadtbahnen der Linie U 1 kollidierten – allerdings frontal. Es gab 30 Verletzte und Millionenschaden. Einer der beiden Fahrer soll nicht bemerkt haben, dass eine Weiche falsch gestellt war – nämlich geradeaus Richtung Kursaal statt nach rechts Richtung Fellbach. Auch da wurde ein Fahrer im stark deformierten Führerhaus eingeklemmt.

Menschliches Versagen war am 28. Juni 2000 an gleicher Stelle ebenfalls die Ursache eines Auffahrunfalls zweier Stadtbahnen. Damals gab es fünf Verletzte und 130 000 Euro Schaden. Ein Stadtbahnfahrer der Linie U 1 hatte nicht erkannt, dass die Bahn der Linie U 13 vor ihm noch halb im Gleis stand, weil sie wegen eines Autos die Kreuzung nicht vollständig passieren konnte.

Weichenfehler am Karl-Benz-Platz

Drei Leichtverletzte und 500 000 Euro Schaden waren die Folge eines Unfalls, der sich am 13. Februar 2012 in Ostfildern ereignete. Eine Stadtbahn der Linie U 7 fuhr an der Haltestelle Kreuzbrunnen auf eine U 8 auf. Mehrfach Probleme gab es am Karl-Benz-Platz in Untertürkheim. Ein Weichenfehler führte dazu, dass am 1. September 2018 zwei Bahnen der U 4 seitlich kollidierten. Zwei Personen wurden verletzt, der Schaden lag ebenfalls im sechsstelligen Bereich.

Die Verkehrspolizei bittet Zeugen, insbesondere Fahrgäste der Bahnen, sich unter Telefon 07 11  /  89 90 - 41 00 zu melden.