Verhör-Termin in der saudischen Staatsanwaltschaft: Auch die Schwester des zu Haft und Auspeitschung verurteilten Bloggers Badawai gerät in den Fokus der drakonischen Justiz in Saudi-Arabien.

Riad - Die saudische Führung lässt nicht locker. Ungeachtet der internationalen Kritik an ihrem repressiven Kurs geht das Königreich auch gegen die Frauenrechtlerin Samar Badawi vor, die Schwester des Bloggers Raif Badawi. Der Meldung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International jedoch, die 34-Jährige sei mit ihrer zweijährigen Tochter Joud festgenommen worden, widersprach der Sprecher des Innenministers, General Mansour al-Turki, gegenüber der StZ. „Sie ist nicht verhaftet, sondern wird von der Kommission für Ermittlung und Strafverfolgung verhört“, erklärte er per SMS.

 

Saudi-Arabiens Botschaft in Berlin ergänzte, Samar Badawi habe lediglich einen Termin bei der Staatsanwaltschaft gehabt und nach dem Informationsgespräch die Staatsanwaltschaft wieder verlassen. Dagegen berichtete Amnesty International, die sich auf örtliche Aktivisten berief, Badawi sei am Dienstagmorgen zu Hause abgeholt worden, vier Stunden lang im Polizeipräsidium befragt und mit ihrer Tochter in das Dhahran-Gefängnis gebracht worden, wo ihr Bruder seit 2012 seine zehnjährige Haftstrafe verbüßt – was sich als nicht richtig erwies, nachdem sie wieder in Freiheit war.

Raif Badawi erregte weltweit Aufsehen, weil die Justiz den Blogger im Januar 2015 in Dschidda öffentlich auspeitschen ließ. Und am Tag nach Neujahr entfachte das Königreich erneut eine breite internationale Empörung, als es im Zuge einer Massenhinrichtung den schiitischen Prediger Nimr al-Nimr hinrichten ließ.

Amnesty verweist auf Meinungsfreiheit

„Samar Badawi wurde ausschließlich festgenommen, weil sie auf friedliche Art und Weise von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat“, erklärte Amnesty und sprach von „einem neuen alarmierenden Rückschlag für die Menschenrechte in Saudi-Arabien“. Vorgeworfen wird der Aktivistin unter anderem, das Twitter-Konto @WaleedAbulkhair zu führen, welches für die Freilassung ihres geschiedenen Mannes Waleed Abul Khair aus dem Gefängnis wirbt, wo der Menschenrechtsaktivist sich die Zelle mit sieben Kriminellen teilt. Der Jurist war Strafverteidiger von Raif Badawi und wurde Mitte 2014 selbst von einem Antiterror-Gerichtshof zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Ein halbes Jahr später verhängten die Behörden für Ehefrau Samar Badawi ein Reiseverbot, als sie in Brüssel an einer Menschenrechtskonferenz teilnehmen wollte. In dieser Zeit wurde sie vom Bürochef des Innenministers Mohammed bin Nayef angerufen und aufgefordert, ihre öffentliche Kritik an Saudi-Arabien einzustellen – ein Ansinnen, was sie kategorisch ablehnte. Kurz danach verfügte Nayef ein absolutes Kontaktverbot mit allen ausländischen Medien.

Samar Badawi wurde 1981 geboren und stammt wie ihr drei Jahre jüngerer Bruder Raif aus zerrütteten Verhältnissen, die jahrelang die Gerichte beschäftigten. Die Mutter war Libanesin und starb früh an Krebs. Nach ihrem Tod begann der Vater, der als wahabitischer Religionspolizist arbeitete, die halbwüchsige Tochter zu missbrauchen.

2008 flüchtete sie in ein Frauenhaus in Dschidda, woraufhin ihr Vater sie wegen „Ungehorsam gegen die Eltern“ verklagte. Sie wurde verhaftet und verbrachte sieben Monate im Gefängnis. Ihr Anwalt damals war Waleed Abul Khair, den sie 2012 heiratete, nachdem ein Gericht ihrem Vater die Vormundschaft entzogen und diese auf einen Onkel übertragen hatte.

Sie klagte gegen das Fahrverbot für Frauen

In diesem Zuge entwickelte sich Samar Badawi zur Vorkämpferin für mehr Frauenrechte in Saudi-Arabien, wo Frauen lebenslang ihre männlichen Vormünder um Erlaubnis bitten müssen. 2011 verklagte sie zusammen mit der Aktivistin Manal al-Sharif die Verkehrsbehörde, um diese zu zwingen, Führerscheine auch für Frauen auszustellen – ohne Erfolg. Im Jahr darauf zeichnete das US-Außenministerium Badawi in Washington mit dem „International Woman of Courage Award“ aus.