Riesiger Andrang herrschte am ersten Tag des 50. Pfennigbasars im Hegelsaal der Stuttgarter Liederhalle – mit mehr Ware denn je. Doch es ist fraglich, ob es diese wohltätige Veranstaltung weiterhin gibt.

S-Mitte - Bis zum unteren Eingang der Liederhalle reicht die drei, vier Reihen bestehende Schlange eine halbe Stunde nach Öffnung, was mit den Kurven bis zum Eingang im Kultur- und Kongresszentrum bei gezählten 128 Schritten locker hundert Meter macht. Gedränge gibt es hier trotzdem nicht. Die Leute plaudern miteinander, und der Kaffee, den Lejla und Roman anbieten, ist sehr willkommen. „Immer locker bleiben“ ist auch das Motto eines „Flohmarkt-Profis“ aus Bietigheim, der schon eine Stunde vor Öffnung angestanden war und nun überrascht ist, „wie entspannt die Atmosphäre“ trotz des Riesenandranges in den Foyers und im Saal selbst ist. Der Mann hat sich schon „den Rucksack vollgemacht“ und weiß schon, „was für ein Gesicht“ seine Frau machen werde: „Aber es sind lauter schöne Sachen!“, versucht er sich zu wappnen.

 

Stück für Stück auf dem Unterarm sammeln

Das Angebot ist allerdings auch gewaltig. Haushaltswaren, Schuhe, Spielwaren die Menge. Kaum zu überschauen, was hier in Sachen Bekleidung aufgetürmt oder Bügel an Bügel im Saal präsentiert wird. Den einen Arm zum Fassen rausstrecken, dann mit beiden Händen sortieren und Stück für Stück auf dem Unterarm sammeln. Das ist eine typische Handbewegung hier. So macht es auch die Stuttgarterin, die sich für vier Kinder eindeckt. Seit über zehn Jahren macht das die selbständige Modedesignerin: „Es gibt schöne Sachen, und die Kinder wachsen ja so schnell aus den Klamotten heraus. Hier kann man auch mal ein paar Euro sparen“, betont sie. Sie wusste noch nicht, dass dieser Pfennigbasar der letzte gewesen sein könnte: „Das glaube ich eigentlich nicht! Das wäre schlimm. Ich habe hier immer gute und günstige Kleidung gefunden“, sagt die 43-Jährige.

Es sind erstaunlich viele jüngere Frauen unterwegs. Katja Schanz und Diana Müller zum Beispiel, zwei junge Akademikerinnen, die jetzt die erste Runde hinter sich haben und ein Kaffeepäuschen machen. Schanz nimmt für den Pfennigbasar jedes Jahr einen Tag Urlaub. Und weil sie begeistert von diesem Second-Hand-Event erzählt hat, ist diesmal auch ihre Freundin mitgekommen: „Second hand ist in“, betonen beide. Und weil hier ein deutsch-amerikanisches Angebot auch sonst wenig bekannte Marken bietet, also „nicht nur Sachen von der Stange wie in den Shopping Malls“, sei die Suche „nach besonderen Stücken ein besonderer Kick“. Im übrigen ist ihnen auch das wichtig: „Nicht wie irre immer weiter konsumieren, sondern brauchbare Sachen weiter nutzen, darum geht es auch. Das Thema Nachhaltigkeit ist in unserer Generation angekommen.“

„Das ist doch ein Stück Stuttgart!“

„Und etwas Nachhaltigeres als diesen Pfennigbasar gibt es sowieso nicht“, sagt Janine Möllen. Die 52-Jährige war schon Kundin, als der Basar noch im Gustav-Siegle-Haus stattgefunden hatte. Die Nachricht, dass der 50. zugleich das Ende sein könnte, macht sie wütend: „Das ist doch ein Stück Stuttgart! Die Stadt wird so beliebig, so uniform. Überall die gleichen Sachen! Hier kann ich bummeln und finde immer was!“ Dann fügt sie hinzu: „Warum sollen die Sachen, die noch gut sind, in den Müll wandern? Die können ruhig noch zwei, drei Runden drehen.“