Shangavi Baskaran macht ein freiwilliges Jahr im Kulturbereich der Stadt Gerlingen. Die Erfahrungen sind so gut, dass die Stelle bereits wieder ausgeschrieben ist. Die junge Frau hatte schon 2011/12 bei einem Schulprojekt für das Museum mitgewirkt.

Gerlingen - Sie steht am Pult, nimmt den Federkiel und ein altes Heft in die Hand. Hinter ihr hebt eine Schattenfigur mit Hut mahnend die Hand. Das Bild erinnert an den Lehrer Lämpel, den Dorfschullehrer aus Wilhelm Buschs Max-und-Moritz-Geschichte. Diese Assoziation ist beabsichtigt, auf der ausgetretenen Treppe vom ersten zum zweiten Stock des Gerlinger Stadtmuseums. Hier, im Alten Schulhaus, waren die Klassenzimmer und die Wohnung des Lehrers. Und hier soll die Erinnerung an die alten Schulzeiten im Alten Schulhaus wieder entstehen. Shangavi Baskaran ist maßgeblich daran beteiligt.

 

Die junge Frau ist begeistert von der Aufgabe, die sie seit September 2013 hier wahrnimmt, und deren erste Halbzeit („leider“) schon rum ist. Die 19-Jährige ist für ein freiwilliges soziales Jahr im Bereich Kultur bei der Stadt beschäftigt; zur einen Hälfte im Museum, zur anderen im Archiv. In die historische Forschung gelangte sie 2011 mit einem Projekt des Robert-Bosch-Gymnasiums, an dem sie 2013 ihr Abitur ablegte. Damals nahm sie an einem Seminarkurs im Fach Geschichte teil. Die Schüler sollten zur Neubearbeitung der Ausstellung über Auswanderung beitragen – am Beispiel der Ungarndeutschen. Intensiv hätten sie sich vorbereitet auf die Interviews mit älteren Menschen, die gefilmt wurden. Daraus entstand ein Dutzend zehnminütige Videos, die jetzt in der Ausstellung zu sehen sind. „Mit unserer Gesprächspartnerin waren gute Fragen über das Alltagsleben in Ungarn möglich“, erinnert sich die 19-Jährige an die Aufgabe, die sie mit einer Freundin bewältigte. „Es ging nicht um professionelles Vorgehen und Filmen, sondern um das Festhalten von Erinnerungen der Zeitzeugen.“ Ende Mai 2012 wurde die Ausstellung „Auswanderung, Mobilität und Vertreibung“ eröffnet.

Wie ist Shangavi Baskaran dann zu dem FSJ gekommen? „Zufall“, sagt sie lachend. Kurz vor dem Abi habe sie in der Schule einen Aushang der Museumsleiterin Catharina Raible gesehen: die Ausschreibung für das FSJ Kultur. Erste Info – Bewerbung – Vorstellung – Zusage, das sei rasch gegangen. „Und jetzt bin ich da. Nur eine Schülerin, die nach der Schulzeit etwas macht.“ Dieses „etwas“, so meint Catharina Raible, sei aber eine große Entlastung. Denn die 19-Jährige organisiert Kindergeburtstage im Museum, leitet Workshops mit Kindern, bestreitet Führungen für Lehrer. Beste Voraussetzungen für ein Studium der Museumspädagogik. Oder? Baskaran lacht. Welche Idee. „Ist in Planung.“ „Oder Geschichte fürs Lehramt.“ Na also. Von wegen „ich wusste vor dem Abi gar nicht, was ich machen will“ – so schnell kann’s gehen.

In den nächsten Wochen befasst sich die 19-Jährige auch mit Material, das für „Strohgäu Extra“ entstanden ist. Kurz nach der Ausstellungseröffnung kam Manfred Schnetzer mit seiner Frau aus Cincinnati im US-Staat Ohio zu Besuch nach Gerlingen. Schnetzer war mit seinen Eltern kurz nach dem Krieg ausgewandert, und er stellte nach Vermittlung durch unsere Redaktion dem Gerlinger Museum viel Material dazu und zur Gerlinger Zeit der Familie zur Verfügung – wie sein Zeugnis- und sein Aufsatzheft. Bei dem Besuch wurde ein Interview für die Zeitung geführt – und zur Unterstützung des Redakteurs auf Video aufgenommen. Daraus schneidet Shangavi Baskaran nun einen kurzen Film – mit Schilderungen Schnetzers, wie es in der Schule zuging. In diesem Haus, mit einer berühmten Lehrerin: Irmgard von Graevenitz, die Tochter des bekannten Bildhauers Fritz von Graevenitz und spätere Ehefrau von Robert Bosch junior. Aber das ist nur ein Teil ihres Projektes. „Wir wollen dem Gebäude seine Bedeutung zurückgeben und die Geschichte der alten Schule darstellen.“ Da sind Fotos von alten Jahrgängen, das Pult auf dem Treppenabsatz und der Lehrer Lämpel nur der Einstieg dazu.