In der Karibiknation Haiti ist die öffentliche Ordnung zusammengebrochen. Dies führe auch vermehrt zu Fällen sexualisierter Gewalt, berichtet der Mediziner Tankred Stöbe von „Ärzte ohne Grenzen“.

Frauen und Mädchen werden im bewaffneten Bandenkrieg in Haiti laut Medizinern zunehmend Opfer sexualisierter Gewalt. „Ihnen droht Vergewaltigung, wenn sie nur auf die Straße gehen“, sagt der Arzt Tankred Stöbe von der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

 

Die Menschen hätten praktisch keine Möglichkeit mehr, sich frei zu bewegen, weil sie überall von Gewalt bedroht seien. Rund 80 Prozent der Hauptstadt sei laut Schätzungen in der Gewalt bewaffneter Banden. Es herrsche Anarchie; Patienten und Mitarbeitende berichteten, dass sie Angst hätten, auf die Straße zu gehen.

„Die grausame Realität ist, dass wir allein in den vergangenen Jahren 4.000 vergewaltigte Frauen und Mädchen behandelt haben; und das ist nur ein kleiner Teil der tatsächlichen Opfer“, so Stöbe. Viele Betroffene gingen nach so einem brutalen Ereignis nicht zur Polizei, weil angesichts der Verhältnisse keine Aufklärung zu erwarten sei. „Oder sie schaffen es erst gar nicht aus dem Viertel, weil sei dann sofort wieder in Gefahr sind, erneut Opfer eines Überfalls oder einer Vergewaltigung zu werden“, sagt Stöbe. Betroffene Mädchen und Frauen müssten aber binnen 72 Stunden Hilfe bekommen, damit noch Verhütungsmaßnahmen oder Infektionsschutz greifen können.