Ein 45-Jähriger wird verurteilt, weil er seine Stieftochter über Jahre hinweg in mehr als 50 Fällen vergewaltigt haben soll. Den Urteilsspruch am Stuttgarter Landgericht verfolgten viele Zuschauer.

Ludwigsburg - Ein Raunen geht durch den Gerichtssaal, als der Richter das Urteil spricht. Etliche Zuschauer sind zum Prozess im Stuttgarter Landgericht erschienen. Der Angeklagte aus dem Kreis Ludwigsburg, der seit Dezember in Untersuchungshaft sitzt, war in Handschellen in den Saal geführt worden. Vor der 3. Jugendkammer wird der Mann zu sieben Jahren Gefängnis wegen schweren sexuellen Missbrauchs in 53 Fällen verurteilt.

 

Damit folgte das Gericht den Schilderungen der heute 17-jährigen Stieftochter des 45-Jährigen. Das junge Opfer war die einzige Zeugin. Ihr Stiefvater hatte alle Vorwürfe abgestritten. Doch das Gericht hielt es für erwiesen, dass er das Mädchen im Alter zwischen vermutlich drei und acht Jahren regelmäßig im Kinderzimmer und im Keller vergewaltigt hat. Im Prozess haben die Ermittler 116 einzelne Taten aufgelistet. Die Kammer hatte 53 Fälle zwischen dem Jahr 2004 und 2007 aufgrund der Aussagen der Stieftochter nachgewiesen.

Glaubwürdigkeit des Opfers angezweifelt

Auf die Glaubwürdigkeit der jungen Frau, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt, ging der Richter in seiner Urteilsbegründung intensiv ein. Denn die Verteidigung des Angeklagten hatte hierauf ihre Argumentationsstrategie aufgebaut und die Stichhaltigkeit der aussagen der 17-Jährigen angezweifelt. Der Hintergrund: die 17-Jährige war im vergangenen Jahr in nervenärztlicher Behandlung gewesen, eine posttraumatische Störung wurde diagnostiziert. Diese Erkrankung, so die Verteidigung, könne „Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit“ haben. In einem psychologischen Gutachten wurde aber bestätigt, man könne dem Opfer glauben – wenngleich die Verteidigung auch dies anfocht.

„Ich habe mir die Ohren zugehalten“

Jeder Mensch erinnere sich nachweislich nicht chronologisch an Ereignisse, sondern emotionsgebunden, sagte der Richter. So habe auch die junge Frau in den verschiedenen Befragungen die Übergriffe geschildert: bruchstückhaft und vor allem mit detailreichen, emotional aufgeladenen Erinnerungsfetzen. „Ich haben mir die Ohren zugehalten, damit ich nicht höre, wenn er irgendwelche Geräusche macht“, habe sie ausgesagt. Nach der Tat habe sich das Mädchen daran erinnert, wie sich sein Peiniger gewaschen habe und es wie versteinert die Fliesen gezählt habe. Der Richter zählt weitere Beispiele auf. Nur der Zeitpunkt des ersten Übergriffs sei unklar.

Das Mädchen meint sich an einen Vorfall in seinem dritten Lebensjahr erinnern zu können. Wissenschaftlich nachgewiesen sei aber, dass sich ein fast erwachsener Mensch frühestens an sein viertes Lebensjahr erinnern könne. Dass der psychische Zusammenbruch der 17-Jährigen erst in der Pubertät mit der aufkeimenden Sexualität kam, sei hingegen nachvollziehbar. Die junge Frau hatte erst kurz vor der Anklage ihrem leiblichen Vater von den Übergriffen erzählt. Jener zeigte den Stiefvater an.

Im Strafmaß ist berücksichtigt, dass der 45-Jährige selbst mit dem Missbrauch aufgehört habe und nicht vorbestraft sei.