Seit etwas mehr als zwei Jahren gibt es bei der SpVgg Renningen zwei Präventionsbeauftragte. Jetzt haben sie eine erste Zwischenbilanz gezogen.

Renningen - Es war ein Ereignis, das den Sport im Altkreis Leonberg in seinen Grundfesten erschüttert hat und bis heute nachwirkt: Der sexuelle Missbrauch eines ehemaligen Tischtennis-Übungsleiters des TSV Höfingen an ihm anvertrauten Kindern, der am Ende mit einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe vom Landgericht Stuttgart geahndet wurde. Viele Sportvereine im Altkreis haben sich dieses Themas in der Folge angenommen, sechs von ihnen haben sich einem Pilotprojekt des Sportkreises Böblingen angeschlossen. Dazu gehört auch die SpVgg Renningen.

 

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Der Verein hat ein Schutzkonzept zur Prävention von Gewalt und Missbrauch entworfen und in seiner Satzung verankert. Dazu gehören auch zwei Präventionsbeauftragte, die allen Vereinsmitgliedern bei diesem Thema als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Patrick Stein und Birgit Ulrich stammen beide aus der Handballabteilung und mussten nicht lange überlegen, als die Vereinsvorsitzende Silke Bächtle bei einer Abteilungsversammlung nach Freiwilligen Ausschau hielt. „Mich hat die Aufgabe sogar gereizt, ich bin ohnehin ein kommunikativer Typ“, sagt der 24-jährige Patrick Stein.

Altersunterschied ist ein Vorteil

Dass die Aufgabe von einem Mann und einer Frau übernommen werden muss, war vorgeschrieben. Als vorteilhaft hat sich bei der SpVgg zudem das unterschiedliche Alter der beiden herausgestellt: „Auf Patrick gehen eher Kinder und Jugendliche zu, auf mich eher die Eltern“, lautet die Erfahrung der 56-jährigen Birgit Ulrich.

Ihre erste Aufgabe war zunächst die Information aller Abteilungen über das Schutzkonzept. „Zwei Info-Veranstaltungen mit jeweils zehn bis 15 Teilnehmern konnten wir abhalten, darüber hinaus hat uns Corona leider einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht“, erzählt Patrick Stein. Dafür hängen einige Plakate auf dem Vereinsgelände. „Wir hoffen, dass wir im Frühjahr einmal alle Teams besuchen können“, führt Patrick Stein weiter aus.

Führungszeugnis von allen Trainern und Helfern

Die zweite große Aufgabe des Duos bestand darin, von allen Trainern und jugendlichen Helfern über 15 Jahre erweiterte Führungszeugnisse anzufordern. „Mit dem zweiten Punkt gehen wir sogar weiter als vorgeschrieben“, sagt der 24-Jährige. Inzwischen haben alle 155 Übungsleiter geliefert. Patrick Stein hat sich die Ausstellungsdaten in einer Excel-Tabelle notiert, denn „die Führungszeugnisse müssen alle fünf Jahre erneuert werden“. Zudem müsse jeder Trainer, der neu in den Verein komme, ein solches vorlegen. „Das ist ein laufender Prozess“, sagt Patrick Stein.

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Dass ein Führungszeugnis vorgelegt wurde, wird in einer elfseitigen Info-Mappe vermerkt, die jeder Trainer ausgehändigt bekam. In dieser wird zudem das Schutzkonzept erläutert und anhand von Beispielen erklärt, was erlaubt und was verboten ist.

„Da geht es unter anderem darum, dass Kindern keine Geschenke gemacht werden dürfen, dass Trainer immer anklopfen müssen, wenn sie in die Kabine kommen und bei Einzeltrainings ein weiterer Trainer oder weitere Kinder anwesend sein sollen oder ansonsten die Hallentüren offen sein müssen“, nennt Patrick Stein ein paar Beispiele.

Auch die Trainer müssen geschützt werden

Bisher haben die beiden Präventionsbeauftragten ein Gespräch mit einem Trainer geführt, der seitdem nicht mehr für die SpVgg tätig ist. „Das geschah auch zu seinem Schutz“, sagt Patrick Stein, und Birgit Ulrich ergänzt: „Mit einer falschen Verdächtigung kann man einen Trainer auch auf Lebenszeit verbrennen.“

Das hat sie bei zwei weiteren Gesprächen festgestellt, bei denen sich Gerüchte nicht bewahrheitet hätten. Es sei aber gut, wenn man Verdächtige zu ihrem eigenen Schutz für eine bestimmte Zeit aus der Situation herausnehme. Und manchmal müsse man dafür auch eine Lüge in die Welt setzen und sagen, dass der Trainer derzeit nicht tätig werden könne, weil er beruflich zu sehr eingespannt sei.