Die Band Silbermond hat in der Stuttgarter Schleyerhalle an die Kunst des Optimismus erinnert. Das Quartett aus Bautzen beherrscht Härte und Zartheit gleichermaßen.

Stuttgart - Natürlich ahnt man, dass der transparente Vorhang, der die Bühne verhüllt, irgendwann während des ersten Liedes „Unter der Oberfläche“ fallen wird. Aber man weiß halt nicht, wann. Und so ist das elegante Sausen während der hymnischen Chöre dann doch irgendwie eine Überraschung: wutsch, freie Sicht.

 

Die erahnbare, aber dennoch (oder vielleicht gerade deswegen) spannende Überraschung ist der Trick von Silbermond, der Band aus Bautzen, die sich in der mit 11 000 Zuschauern nahezu ausverkauften Schleyerhalle als prall gefüllte musikalische Wundertüte präsentiert: Aha, die knallharte Nu Metal Band („Waffen“), die vor wenigen Augenblicken noch eine gefällige Popband war („Durch die Nacht“), spielt nun auf der kuschelig in der Hallenmitte verankerten Nebenbühne unplugged niveauvollen Friedenskitsch („Weiße Fahnen“).

Plädoyer für die Beschränkung

Dass die feuerwerksartigen Verwandlungen so stimmig gelingen, liegt zum einen an den drei versierten Instrumentalisten, die – angeführt vom großartigen Gitarristen Thomas Stolle – ihr Handwerk ebenso effizient wie kreativ versehen. So karg die klassische Rockbesetzung in Zeiten der für gewöhnlich überschäumend begleiteten R’n’B-Stars aus Amerika auch wirken mag – Silbermond glückt ein wirkungsvolles Plädoyer für die Beschränkung auf das Notwendige.

Zum anderen ist die Sängerin Stefanie Kloß in den letzten Jahren als Entertainerin immer besser geworden. In Stuttgart steht sie ihren Begleitern an musikalischer Wucht um nichts nach und ist außerdem jederzeit bereit, hymnisch zu werden: Sie beherrscht den sehnsüchtigen „Ooh ooh ooh“-Gesang à la Joan Baez und den fordernden à la Bon Jovi, mal singen die Musiker mit, mal die Zuschauer. Und sie ist sich nicht zu fein dafür, ihre harmonisch bebenden Hoffnungskringel auch an Banalitäten zu heften. Denn sie weiß: Das Leben selbst ist manchmal banal.

Handys und Feuerzeuge

Ob Stefanie Kloß nun den Rausch einer Samstagnacht besingt oder das Überleben eines Kriegskindes – sie ist gut darin, ihre Zeilen zu jener Art von Euphorie gerinnen zu lassen, die keine Beweise mehr braucht, weil sie sich selber trägt. Wegen ihr klingt Silbermond mal wie eine stark verjüngte Nena, mal wie Pur auf cool, und dann vielleicht ein kleines bisschen so, als ob Coldplay doch aus Sachsen stammt.

Silbermond zelebriert die Sehnsucht nach dem Spaß und der Ewigkeit – zwei Stunden lang aufwendig blitzend und knisternd inszeniert als Liebesgeschichte zwischen einer Band und ihrem Publikum. Dann – man hat es geahnt – ist Schluss. Schlimm? Nö. „Wir bereuen keine einzige Minute, die wir heute mit euch waren“, ruft Stefanie Kloß. Und am Ende leuchten im Publikum neben all den digitalen Lichtquellen (vulgo Handys) nach ihrer ausdrücklichen Aufforderung auch die analogen (vulgo Feuerzeuge) zu einer bemerkenswert gänsehauttauglichen Version von „Krieger des Lichts“.

Für Stefanie Kloß währt ja immer noch die „Zeit für Optimisten“. Auch wenn man an dieser Einschätzung zweifeln mag, tut es doch gut, sie so entschlossen von ihr zu hören. wer