SÖS-Stadtrat Luigi Pantisano klagt in Facebook die Studentin an, die vortäuschte, von einem südländisch wirkenden Mann vergewaltigt worden zu sein. Er selbst ist auch oft Opfer von Anfeindungen im sozialen Netzwerk.

Stuttgart - SÖS-Stadtrat Luigi Pantisano ist kein Leisetreter. Er kann schon mal wirbeln, zuspitzen, provozieren und auch verbal austeilen. Jetzt hat er auf Facebook massiv die junge Frau kritisiert, die sich bei der Polizei als Opfer einer Vergewaltigung im Stadtgarten an der Uni gemeldet hatte, aber gar nicht vergewaltigt worden war. Sie sei scheinbar nicht nur psychisch krank, wie die Polizei herausgefunden hat, sondern sie sei „auch eine Rassistin“, postete Pantisano. „Warum? Weil sie die Vergewaltigung vorgetäuscht und gleichzeitig den rechten Diskurs in Stuttgart bedient hat“, schrieb der Stadtrat.

 

Seine Anwürfe fußen darauf, dass die 20-Jährige den frei erfundenen Täter als „südländischen Typ“ beschrieben hatte, was die Polizei am Freitag noch einmal bestätigte. Die Aussage der Frau hatte die Polizei auch in einem Zeugenaufruf öffentlich verbreitet. Pantisano (39) findet es entlarvend, dass die junge Frau sogar bei der Erfindung eines Täters eine Bezeichnung wählte, die alle südländisch aussehenden Männer pauschal in Misskredit bringe. Die Beschreibung passe auf viele Männer mit dunklem Haar und dunklem Teint. Die Frau habe eben nicht etwa einen blonden Mann mit blauen Augen vorgeschoben. Mit ihrer Beschuldigung habe sie sich rassistisch verhalten. Sie sei also Rassistin.

Zustimmung und Tadel für Pantisano

Dass er so weit geht, eine psychische kranke Frau so zu beschuldigen, finden auch auf seiner Facebook-Seite nicht alle Schreiber gut, wenngleich der Name der 20-Jährigen nicht öffentlich geworden ist. Ein Schreiber gab zu bedenken: „Wir kennen diese Frau nicht, wissen nichts über ihre psychische Erkrankung und die daraus resultierende Motivation, eine Vergewaltigung vorzutäuschen – noch über die Motivation der Täterbeschreibung. Rassismus wird erst einmal unterstellt. Durchaus möglich. Es wäre aber erstrebenswert, eine Vorverurteilung aufgrund eines Zeitungsartikels zu vermeiden. Die eigenen Standards ernst nehmen wäre gut.“ Andere Diskussionsteilnehmer stimmten Pantisano zu und hielten es für möglich, dass die Täuschung und die Beschreibung gezielt eingesetzt wurden. Motto: „Das rechte Pack schafft mit allen Tricks.“

Pantisano beharrt darauf, dass die mögliche Krankheit der Frau in dieser Debatte eine geringere Rolle spiele. Die ganze Opfergruppe der südländischen Typen sei durch den Vorwurf der 20-Jährigen tagelang kriminalisiert worden und mit der Täterbeschreibung hätten rechte Kreise Stimmung gemacht. Obwohl es die Vergewaltigung nicht gegeben habe, wollten Politik und Polizei nun für mehr Sicherheit sorgen – und das bedeute oft grundlose Kontrollen für „People of colour“, für Menschen mit anderer Hautfarbe.

Neuer Drohbrief für den Stadtrat

Ihnen rechnet sich auch Pantisano zu, dessen Eltern einst als Gastarbeiter aus Kalabrien kamen, der aber in Waiblingen aufwuchs und einen deutschen Pass hat. Der Architekt und Stadtplaner, der für das Bürgerbündnis Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) im Gemeinderat sitzt und für den Linken-Bundestagsabgeordneten Bernd Riexinger arbeitet, ist längst Zielscheibe heftigster anonymer Anfeindungen und Morddrohungen. Den Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus hat er sich vor Jahren zur Aufgabe gemacht und dazu Veranstaltungen und Netzwerke ins Leben gerufen. Manchmal, gibt Pantisano zu, werde er gefragt, weshalb er sich so provokativ betätige. Das ist aber teilweise Programm. Weil er sich mit Hausbesetzern gemein machte und in einem besetzten Haus ein Video drehte, wurde gegen ihn schon von der Staatsanwaltschaft ermittelt.

Just jetzt, da er auf Facebook gegen die Studentin austeilte, wurde er selbst wieder Opfer von Anwürfen. Am Dienstag dieser Woche erreichte ihn im Rathaus wieder ein anonymes Drohschreiben. Darin wird er als „sizilianischer Strauchdieb“ und „italienischer Kommunistenlümmel“ verunglimpft, wird ihm eine „Tracht Prügel“ angedroht, wenn er wieder einmal gegen die „Nationalen“ demonstriere. Vor zwei Jahren hatte er via Facebook schon Hassmails und Morddrohungen erhalten, im März dieses Jahres ebenfalls. Pantisano schaltete Polizei und Staatsanwaltschaft ein, die Ermittlungen gegen die unbekannten Verursacher führten aber nicht zum Erfolg. Jetzt will er erreichen, dass auf dem Stimmzettel für die Gemeinderatswahl 2019 bei seinem Kandidatennamen nicht die Wohnadresse auftaucht, damit nicht noch mehr Bedroher erfahren, wo er wohnt.