Die Preise auf dem Lkw-Markt sind womöglich bis 2016 verfälscht gewesen, obwohl die EU-Kommission die Absprachen schon 2011 beendet hat. Nach ersten Urteilen hoffen die Spediteure jetzt auf Schadenersatz in Milliardenhöhe.

Stuttgart - Die Lastwagenhersteller, denen die EU-Kommission wegen Preisabsprachen eine Milliardenbuße aufgebrummt hat, geraten immer mehr unter Druck durch Schadenersatzforderungen ihrer Kunden. Nach Informationen unserer Zeitung wollen die im Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) organisierten Spediteure in den nächsten Tagen eine zweite Massenklage beim Landgericht München einreichen.

 

Danach verlangen 3600 Unternehmen von dem Lastwagenkartell, dem unter anderem auch Daimler angehört hat, Geld zurück, weil sie aus ihrer Sicht beim Kauf von etwa 65 000 Lastwagen mindestens jeweils 5000 Euro zuviel gezahlt haben.

Schaden muss im Detail nachgewiesen werden

Die Klage, so ist zu hören, erstreckt sich sogar auf Käufe bis zum Jahr 2016, obwohl die Hersteller nach dem Urteil der EU-Kommission „nur“ im Zeitraum von 1997 bis 2011 die Preise abgesprochen haben sollen. „Die Preise gehen nicht vom einen auf den anderen Tag zurück“, heißt es im Umfeld der Kläger.

Der BGL hat Ende vergangenen Jahres bereits mit Hilfe der Anwaltskanzlei Hausfeld, des Dienstleisters Financialright Claims und des Prozessfinanzierers Burford Capital eine erste Klage für 3200 Spediteure in München eingereicht. Dabei ging es um knapp 85 000 Lastwagen.

Recht auf Schadenersatz

Mittlerweile gibt es mehrere Grundurteile von Landgerichten, nach denen die Kunden aufgrund der Absprachen grundsätzlich ein Recht auf Schadenersatz haben. Der Rechtsanwalt Alex Petrasincu von der Kanzlei Hausfeld, der sich zur aktuellen Klage nicht äußern will, sagt: „Die Behauptungen der Hersteller, ihr Kartell habe keine Schäden verursacht, hat die Gerichte damit nicht überzeugt.“ Der Schaden muss jeweils im Detail nachgewiesen werden. Deshalb gibt es noch keine endgültigen Urteile.

Stuttgart, München und Hannover sind Zentren

Daimler bestreitet, dass den Spediteuren ein Schaden entstanden ist. Die Stuttgarter verweisen ebenso wie andere Hersteller auf einen stark umkämpften Markt, geprägt von hohen Rabatten. „Das Unternehmen prüft geltend gemachte Schadenersatzforderungen sorgfältig und wird sich gegen unberechtigte Ansprüche entschieden zur Wehr setzen“, heißt es bei Daimler.

Auch der Speditionsverbund Elvis mit Sitz in Alzenau (Unterfranken) kündigt die Ergänzung einer Klage aus dem Vorjahr, in der es um Käufe bis 2011 ging, an. Die Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, die für Elvis arbeitet, hat Hinweise, dass das erhöhte Preisniveau aufgrund der Absprachen danach fortbestand. Auch hier ist von Fällen verfälschter Preise noch im Jahr 2016 die Rede.

Milliardenschadenersatz

Daneben gehen zahlreiche weitere Lastwagenkäufer gegen die Hersteller vor. Alleine beim Landgericht Stuttgart sind nach Angaben eines Sprechers 220 bis 230 Klagen anhängig. Weitere Schwerpunkte sind die Landgerichte München und Hannover. Die Schätzungen über den Schadenersatz, den die Beteiligten an dem Kartell möglicherweise leisten müssen, gehen bis zu mehreren Milliarden Euro.