Warum ein Streit zwischen Vereinen und Verbänden den Kampf um finanzielle Hilfen für den Breitensport in Baden-Württemberg erschwert.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Während viele Profis ihrem Sport unter Auflagen wieder nachgehen können, ist dies Amateursportlern in Baden-Württemberg noch nicht vergönnt. Fußball- oder Tennisplätze liegen im Dornröschenschlaf. Was vielen Vereinen sauer aufstößt. „Mir ist es unverständlich, warum nur Profisportvereine wieder den Trainingsbetrieb aufnehmen dürfen. Wir könnten das unter Auflagen auch“, sagt etwa die Präsidentin des MTV Stuttgart, Ulrike Zeitler.

 

Drei bis fünf Prozent fordern Beiträge zurück

Lockerungen für den Trainingsbetrieb – dies ist nur eines der Felder, das die Chefin von Stuttgarts größtem Breitensportverein derzeit beackert. Das andere Thema dreht sich ums Geld. Der einstige Männerturnverein mit seinen über 9000 Mitgliedern erwartet bis Jahresende einen Rückgang der Mitgliederzahlen im mittleren dreistelligen Bereich. Die üblicherweise im Frühjahr einsetzende Eintrittswelle findet in diesem Jahr nicht statt. Spätestens auf mittlere Sicht könnte der Verein durch die Corona-Krise Probleme bekommen. Durch die Schließung des Fitnessstudios fehlen weitere Einnahmen.

Bei vielen anderen Vereinen im Land ist die Not ähnlich. Nach ersten Einschätzungen der Sportverbände fordern derzeit drei bis fünf Prozent der Mitglieder ihren Beitrag zurück oder wollen ganz kündigen. Das ist einerseits erstaunlich wenig, andererseits in der Summe immer noch viel Geld, das bei meist auf Kante genähten Budgets fehlen wird. Weshalb die über 11 000 Sportvereine im Land mit ihren 3,8 Millionen Mitgliedern auf finanzielle Hilfe der Politik hoffen.

Keine einheitliche Stimme des Sports

Doch da wird die Sache kompliziert. Es gibt drei Landessportbünde, diverse Fachverbände und Sportkreise. Alles unter dem Dach des Landessportverbandes (LSV) Baden-Württemberg. Dass aufseiten der Landespolitik zwei Ministerien als Geldgeber in Frage kommen, macht die Sache nicht einfacher.

Vereinfacht gesagt halten die Vereine den fünf Milliarden Euro schweren Unternehmer-Rettungsschirm des Wirtschaftsministeriums für nicht zielführend. Das mag für einen Friseurbetrieb, der kurzzeitig Ausfälle zu beklagen hat, nicht aber für einen Sportverein das passende Hilfsangebot sein. Sie fordern einen speziellen Corona-Notfallfonds für den Breitensport. In einem offenen Brief an die Sportverbände, der unserer Zeitung vorliegt, ist von einer „katastrophalen Situation“ die Rede, „wie sie seit 1945 noch nie bestanden hat“.

Unterstützung erhoffen sich die Turner, Hobbykicker und Tennisspieler vor allem vom LSV. Doch dieser hat seine Vereine in Person der Präsidentin Elvira Menzer-Haasis auf die Palme gebracht. In einem Podcast kritisierte die Funktionärin die Entwicklung vieler Vereine hin zu „Dienstleistungsunternehmen“. Statt sich über Kurse und Fitnessstudios zu finanzieren, sollten sie sich lieber ihrer Traditionen besinnen und zu altbewährten Strukturen zurückkehren. Stichwort Heimatgefühl, Stichwort Solidargemeinschaft statt anonymer Massenangebote. Dann ließen sich Krisen wie diese auch besser überstehen, glaubt die LSV-Präsidentin.

Diskussion dreht sich im Kreis

Menzer-Haasis hat damit einen Sturm der Entrüstung losgetreten. „Massiv erschüttert und enttäuscht“, zeigen sich viele Vereinsverantwortliche von ihren Aussagen, wie es in dem Brief heißt. Der LSV zeichne ein Vereinsbild, das seit Jahrzehnten nicht mehr der Realität entspreche. Und das an der Basis die Frage aufwirft, ob sich die Vereine vom obersten Dachverband noch richtig vertreten fühlen. Was die Erfüllung des gemeinsamen Wunsches nach mehr Geld von der Politik nicht eben erleichtert. Ein Vorschlag von Seiten des Kultusministeriums, in einem ersten Schritt nicht abgerufene Zuschüsse für Trainingslager oder Integrationsangebote den Vereinen auf anderem Wege zukommen zu lassen, statt sie dem Haushalt zurückzuführen, wurden durch die Streitigkeiten nicht konstruktiv weiterverfolgt. Es gehe zu „wie im Kindergarten“, beklagt ein Beteiligter.

Mit der Folge, dass sich die Diskussion im Kreis dreht. Und das Sportleben im Land weiter stillsteht. In jeder Hinsicht.