Die Europaspiele im polnischen Krakau sollten weniger bekannte Sportarten mehr in den Fokus rücken. Doch das Sportereignis war eher ein Flop. Was waren die Gründe?

Am Samstagabend herrschte bereits Abschiedsstimmung in Krynica-Zdroj. In der knapp 11 000 Einwohner zählenden Außenstelle der Europaspiele von Krakau, 125 Kilometer entfernt vom Zentrum des Multisportereignisses gelegen, waren die Volunteers und Helfer zum Abschluss der Wettbewerbe in Taekwondo, Judo und Mountainbiking zu einer Party geladen. Die offizielle Schlusszeremonie des zwölftägigen Events sollte erst 24 Stunden später im Henryk-Reyman-Stadion der Großstadt über die Bühne gehen. Dem Ende eines Experiments wollten die deutschen Mattenkämpfer, die im finalen Mixed-Wettbewerb Silber gewonnen hatten, beiwohnen und dann wenigstens eine Nacht im nahe gelegenen Athletendorf verbringen. Die gemeinschaftliche Stimmung dort hatten sie als Hotelgäste noch nicht zu spüren bekommen und vermisst.

 

3x3-Basketball oder Teqball beliebter als Fechten

Was 2015 in Baku als Mini-Olympia begonnen hatte, mit riesigem Aufwand und hohen Kosten, darunter jene für den Bau zusätzlicher Sportanlagen in der aserbaidschanischen Hauptstadt, hat sich bei der dritten Auflage der kontinentalen Spiele in stark veränderter Form präsentiert. Im positiven Sinne der Nachhaltigkeit setzten die polnischen Gastgeber auf bereits vorhandene Sportstätten oder temporäre Anlagen. Angesichts des umfangreichen Programms mit 7000 Athleten aus 48 Ländern in 29 olympischen und nichtolympischen Disziplinen wollten und mussten sie die erweiterte Region miteinbeziehen. Für einige Athleten hieß dies, bis zu 270 Kilometer entfernt von Krakau ihre Sportwaffen zu laden oder ins Wasser zu springen. Das allumfassende Gemeinschaftsgefühl blieb dabei auf der langen, für Besucher oft nur umständlich zurückzulegenden Strecke.

Der Eindruck, Höchstleistungen im Abseits zu erbringen, herrschte auch bei vielen Entscheidungen in Krakau selbst vor. Auf den Rängen tummelten sich trotz niedriger Ticketpreise oder bisweilen freiem Eintritt meist nur wenige Zuschauer. Trendige Bewegungsvarianten wie 3x3-Basketball oder Teqball, ein neumodisches Fußballduell über einen gewölbten Tisch hinweg, das mitten auf dem historischen Marktplatz seinen Platz gefunden hatte, erfreuten sich deutlich größerer Beliebtheit als etwa das traditionellere Fechten, dem kurzfristig der EM-Status abgesprochen worden war, weil Russen und Weißrussen wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine derzeit nicht in Polen einreisen dürfen.

Größere Teile der polnischen Bevölkerung standen dem Sportereignis skeptisch gegenüber

Die Musketiere kreuzten ihre Klingen in der für mehr als 10 000 Besucher ausgelegten, nestartigen Tauron-Arena; auf den ins Halbdunkle getauchten Zuschauerplätzen zeichneten sich dabei oft nur die Silhouetten von Funktionären oder Medienvertretern ab.

Olaf Tabor, der Leistungssportchef des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) und Chef de Mission, sah Gründe für die geringe Resonanz in der mangelnden Sichtbarkeit der Spiele in der Stadt und den knapp bemessenen Werbemaßnahmen. Dem bislang größten Sportereignis in Polen standen größere Teile der Bevölkerung sowieso nicht positiv gegenüber, wofür das gellende Pfeifkonzert bei den Ansprachen der politischen Vertreter während der Eröffnungsfeier sprach. Man hätte, trotz der vergleichsweise auf Sparflamme gehaltenen Version und der damit einhergehenden Verbesserung von Teilen der sportlichen Infrastruktur, lieber in wichtigere Dinge investiert, hieß es von dieser Seite.

Die Quantität des Angebots überschattete die Qualität

Die mediale und öffentliche Aufmerksamkeit in der Heimat der Gäste ließ, zumindest auf Deutschland oder England bezogen, ebenfalls zu wünschen übrig. Die Special Olympics in Berlin mit ihrem Inklusionscharakter erfreuten sich größerer Wahrnehmung. Tabor kritisierte die dosierte Berichterstattung der Fernsehanstalten ARD und ZDF als dem ausreichenden sportlichen Anlass nicht angemessen. Das Ziel, das mit der wachsenden Zahl an Multisportevents verfolgt wird, die ansonsten immer weniger berücksichtigten Sportarten wieder mehr in der Fokus der Kameras zu rücken, wurde in diesem Fall verfehlt.

Bei der Fülle und Diversität fiel es schwer, den Überblick zu behalten, in welchen Disziplinen es gerade um Europameisterschaftstitel, in welchen um Olympia-Tickets beziehungsweise Quotenplätze, Ranglistenpunkte oder wo es nur um Ruhm und Ehre oder den Test eines neuen Formats ging. Mixed-Varianten in allen Sportarten schossen empor. Die Quantität des Angebots überschattete die durchaus vorhandene Qualität und, mit wenigen Ausnahmen wie die der Leichtathleten, die Topleistungen von Spitzenkräften. Weniger wäre mehr gewesen. Die Aufnahme der Wintersportart Skispringen als Mattensport ins Sommerprogramm, der Popularität der Sportart im Gastgeberland geschuldet, wirkt mit Blick auf den Klimawandel allerdings weniger weit hergeholt, als es zuerst erscheint.

München hat als Gastgeber 2022 bewiesen, wie es geht

Der Test, die Spiele anders anzugehen, ist abgeschlossen. In Ansätzen hat er gezeigt, dass auch auf diesem Weg ein attraktives Sportereignis möglich wäre. Die Gefahr, als kontinentales Großevent von den konkurrierenden European Championships verdrängt zu werden, ist allerdings gewachsen. Die Stadt München hat als Gastgeber im vergangenen Jahr bewiesen, dass beides zusammengeht: Eine nachhaltige Sportveranstaltung, die sich trotzdem wie ein großes Ganzes anfühlt.