Der Stadtjugendring Stuttgart blickt auf 70 Jahre jugendliches Engagement zurück, das auch mal unbequem sein darf. Am Montagabend wurde das 70-jährige Bestehen im Rathaus mit einer öffentlichen Mitgliederversammlung gefeiert.

Stuttgart - Im Jahr 1960 haben sich zwei Verbände um die Mitgliedschaft im Stadtjugendring Stuttgart beworben: die FKK Jugend und die Marine Jugend. Aufgenommen wurde letztlich aber nur Erstgenannte. Der Grund: „Lieber nackte Männer, als Männer in Uniform“, sagte der damalige zweite Vereinsvorsitzende Manfred Hack. Friedensarbeit wird im Stadtjugendring groß geschrieben, genauso wie Antifaschismus und Integration.

 

Gegründet hat sich der Stadtjugendring am 12. Oktober 1945, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs – damals noch als Stadtjugendausschuss. Gründungsväter waren die Evangelische und Katholische Jugendbewegung, der Verband für Sport- und Körperpflege und die Schwäbische Volksjugend. „Der Stadtjugendring Stuttgart ist der älteste Zusammenschluss der Jugendverbände nach dem Krieg“, sagt der heutige Geschäftsführer Rainer Mayerhoffer. Ziel war es, nach der Gleichschaltung der Jugendverbände während des Nationalsozialismus, eine demokratische Jugendverbandsstruktur aufzubauen. Und, wie es in der Satzung formiert ist: „Militärischen, nationalistischen und totalitären Tendenzen mit allen Kräften entgegenzuwirken.“ Seit den 80er Jahren sind Migrationsgruppen in den Verein integriert worden. Aktuell sind 56 Jugendverbände mit rund 1900 Jugendgruppen und bis zu 130 000 Mitgliedern im Stadtjugendring aktiv. Sie werden vom Verein unterstützt, sei es durch die Suche nach passenden Räumlichkeiten für die Jugendarbeit, durch Weiterbildung oder finanziell. Stand 2014 stehen dem Verein rund 1,1 Millionen Euro jährlich zur Verfügung, durch Zuschüsse der Stadt Stuttgart und der Bundesrepublik, sowie durch Stiftungen und Spenden.

Erstmals werden langjährig Engagierte ausgezeichnet

Das 70-jährige Bestehen des Stadtjugendrings ist für alle Beteiligten natürlich ein Grund zu feiern. Das wird derzeit durch eine große Ausstellung im Erdgeschoss des Rathauses getan, bei der unter dem Titel „Impressionen“ Fotos aus 70 Jahren Engagement gezeigt werden. Am Montagabend hat außerdem im Beisein des Oberbürgermeisters Fritz Kuhn eine Jubiläumsfeier stattgefunden, in deren Rahmen eine Reihe von Personen geehrt worden sind. Unter anderem waren das Tobias Groner von der Jugendfeuerwehr und Max Bezold vom AFS Interkulturelle Begegnungen. Erstmalig sind außerdem drei Personen ausgezeichnet worden, die sich nachhaltig lange Jahre für die Jugendverbandsarbeit eingesetzt haben: Ulrike Würth, Gökay Sofuoglu und Michael Klamm.

Der Stadtjugendring sieht sich auch als eine politische Organisation, die anecken kann. „Der Verein konnte immer schon auch ein wenig unbequem sein“, sagt Mayerhoffer. Etwa als es um die Kriegsdienstverweigerung ging, die Einrichtung eines Jugendgästehauses oder um Friedensmärsche.Das habe vor allem unter Konservativen nicht immer für Freude gesorgt.

Jugendliche engagieren sich durchaus

Aktuell bemüht sich auch der Stadtjugendring um die Flüchtlingsfrage und Jugendmigration. „Der Kampf gegen Rassismus ist heute wichtiger denn je“, sagt Jörg Titze, der Vorsitzende des Stadtjugendrings. Deshalb ist schon vor einigen Jahren der Jugendmigrationsrat gegründet worden, ein Projekt, das zum Teil von der EU gefördert worden ist. Ziel war es die Situation zu bewerten, auf Flüchtlinge zuzugehen und einzubinden in die ehrenamtliche Arbeit. „Begegnung und Austausch sind wichtig“, sagt Mayerhoffer. Weitere Themen auf der aktuellen Agenda sind Inklusion und Jugendbeteiligung. Jugendliche müssten bei der Stadtentwicklung aktiv mitwirken können.

Dass sich Jugendliche nicht engagieren, halten der Vorsitzende sowie der Geschäftsführer des Stadtjugendrings für ein Gerücht. Die beiden sehen das Gegenteil in ihrer täglichen Arbeit bewiesen.