Eine Gefahr für Fußgänger und Radfahrer: auf den Straßen und Wegen in Stuttgart liegen immer häufiger Glasscherben umher.

Stuttgart - In Stuttgart entwickeln sich gerade zwei neue „Sportarten“: Die eine besteht darin, Flaschen zu zerschlagen, um etwas für den Aggressionsabbau zu tun, die andere entwickeln Radler notgedrungen – sie eignen sich Geschicklichkeit im Umfahren dieser reifenzerstörenden Glashaufen an. Im Unterschied zu früheren Jahren beschränkt sich dieses Phänomen jedoch nicht mehr auf klassische Orte wie etwa entlang der Partymeile Theo Heuss, sondern ist inzwischen überall festzustellen: auf Straßen, Geh- und Radwegen.

 

Das bestätigt auch die Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS): „Die Vermüllung, auch in Form von Glas, nimmt in der Innenstadt und den Außenstadtbezirken insgesamt zu“, sagt AWS-Sprecherin Annette Hasselwander. Die Konsequenzen hat sie bereits am eigenen Leib erfahren: „Ich hab mein Fahrrad auch schon heimgeschoben.“ Wer mit leichtem Schuhwerk zu Fuß unterwegs sei, riskiere eine höhere Verletzungsgefahr. Auch Hundebesitzer sind wenig erfreut über die Zunahme der Scherbenhaufen.

„Das Wegschmeißverhalten der Leute hat sich verändert“, bestätigt auch Günter Siebers, Referent von Technikbürgermeister Dirk Thürnau. „Die Beschwerdebriefe und gelben Karten haben diesbezüglich zugenommen“, so Siebers. Doch diese Entwicklung sei ein gesellschaftliches Problem – „und es ist schwierig, dem Herr zu werden“. Rufe nach Extrareinigungen sind müßig, denn das gebe das städtische Budget nicht her, sagt Hasselwander. „Aber in der Innenstadt werden die Radwege täglich gereinigt“ – von der Stadt. Doch zur Sauberhaltung von Geh-, aber auch gemeinsamen Geh- und Radwegen seien die Anlieger verpflichtet. Dies gelte auch für bestimmte verkehrsberuhigte Bereiche. Gereinigt werden müsse dort „nach Bedarf“. Lediglich im Bereich der Innenstadt und in zwei unterirdischen Fußgängerpassagen in der City habe man zwei Reinigungszonen ausgewiesen, die von Seiten der Stadt sauber gehalten würden.

Es gehen Klagen über den Scherbenmüll ein

Auch beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub Deutschland (ADFC) in Stuttgart gehen Klagen über den zunehmenden Scherbenmüll ein. Dessen Geschäftsführer und Fahrradberater Peter Beckmann empfiehlt, sich über die gelben Karten direkt bei der Stadt zu beschweren. Der Fahrradexperte meint auch: „Die Strafen sind zu wenig kreativ. Jemand, der eine Flasche wegschmeißt, müsste als Ausgleich 20 Stunden lang öffentliche Flächen reinigen.“

Doch tatsächlich liegt das Problem woanders. Nach dem Kreislauf- und Abfallgesetz handele es sich um eine Ordnungswidrigkeit, wie eine Mitarbeiterin des dafür zuständigen Amts für Umweltschutz mitteilt. Wer vorsätzlich oder fahrlässig außerhalb der dafür vorgesehenen Abfallbeseitigungsanlagen scharfkantige, ätzende und schneidende Gegenstände wie zum Beispiel Glasflaschen, Scherben oder rostige Nägel entsorge, handle ordnungswidrig. So etwas werde nach dem Bußgeldkatalog des Landes Baden-Württemberg mit Geldbußen zwischen 100 und 500 Euro geahndet – theoretisch. „Das Problem ist, dass wir den Täter nicht ermitteln können“, räumt die Mitarbeiterin des Umweltschutzamtes ein. „Wir können ein Ordnungswidrigkeitsverfahren nur einleiten, wenn wir den Täter kennen“, ergänzt sie – „es müsste gerade ein Polizist daneben stehen“. Ihr Vorschlag: „Man müsste an den Schulen die Schüler ansprechen.“

Der Fahrradexperte Beckmann hat noch weitere Ideen auf Lager: zum Beispiel Pfand auf Spirituosenflaschen zu erheben. „Wenn ein Euro Pfand verlangt würde, würden sich das viele überlegen.“ Der Mann vom ADFC hat aber auch leichter umsetzbare Vorschläge: in pannensichere Reifen investieren. Die seien etwas schwerer, aber sicherer. Außerdem sei es wichtig, beim Drahtesel auf den richtigen Luftdruck zu achten. Der Wert befindet sich an der Seite des Radmantels.

Und falls es dennoch zu einer Reifenpanne komme, helfe die richtige Technik: „90 Prozent der Plattfüße konnten wir ohne Ausbau der Reifen reparieren – mit minimalem Aufwand“, berichtet Beckmann. Lernen könne man das in einem Reparaturkurs, die der ADFC gemeinsam mit der Volkshochschule anbiete. Die seien im Prinzip aber „permanent ausgebucht“. Tipps bekomme man aber auch kostenfrei in der Selbsthilfewerkstatt des ADFC. Neu im Angebot des Fahrradclubs ist ein Fahrsicherheitstraining für erwachsene Fahrradfahrer. Mit gekonnten Ausweich- und Bremsmanövern lässt sich dann so mancher Scherbenhaufen umfahren.