Der Gemeinderat will nun doch zusätzlich 1,6 Millionen Euro für die Sanierung bereit stellen. Doch Stuttgarts Kämmerer Föll (CDU) bremst.

Stuttgart - Bleiben die Schlaglöcher auf großen Straßen wie der Heilbronner Straße oder der Konrad-Adenauer-Straße den Autofahrern bis zum Winter ein Ärgernis - oder werden sie in den nächsten Monaten beseitigt? In dieser Frage haben sich Stuttgarts Stadtkämmerer Michael Föll (CDU) und der Gemeinderat derart in die Wolle bekommen, dass sich Donnerstag der Ältestenrat mit dem Thema befassen muss.

 

Zunächst hatte für Autofahrer alles überraschend positiv ausgesehen. Noch im März war die CDU mit ihrem Antrag, dem Tiefbauamt nach dem harten Winter zusätzliche 1,6 Millionen Euro zur Straßensanierung zu geben, gescheitert. Am Dienstag nun stimmten im zweiten Anlauf plötzlich alle Parteien im Technikausschuss des Gemeinderats für das geforderte Extrageld. Offensichtlich hatte die positive Steuerschätzung im Mai so manchen Stadtrat umdenken lassen. Gestern nun sollte das Thema den Verwaltungsausschuss passieren, doch dann kam es zum Eklat. Finanzbürgermeister Föll wies darauf hin, dass laut Gemeinderordnung ein neuer Beschluss erst nach sechs Monaten, also im September, möglich wäre. Außerdem sei der Straßensanierungsetat 2010 bereits um eine Million Euro überzogen worden.

Noch in diesem Jahr Reparaturen?

Bei einem Beschluss erst im September wäre es für die Reparaturen vor dem nächsten Wintereinbruch zu spät, stellte der daraufhin aufgebrachte Technikbürgermeister Dirk Thürnau (SPD) klar. Die CDU sah sich düpiert, weil die Stadt nicht bereits am Vortag auf die Vorschriften hingewiesen hatte und SPD-Stadtrat Manfred Kanzleiter sah gar die Hoheit des Gemeinderats in Frage gestellt und drohte mit einer rechtlichen Klärung durch das Regierungspräsidium: "Wenn der Beschluss einstimmig gefasst ist, muss die Verwaltung sich daran halten." Jetzt soll der Ältestenrat nach einer Lösung suchen, die allen gerecht wird. Viel Zeit bleibt nicht. "Wenn wir spätestens im Juli die Aufträge ausschreiben können, sind die wichtigsten Maßnahmen noch 2011 umsetzbar", betonte der Technikbürgermeister Thürnau.

Trotz der breiten Zustimmung zum Extrageld für die Straßensanierung im zweiten Anlauf fehlte es im Technikausschuss nicht an kritischen Anmerkungen. "Wenn man an der falschen Stelle spart und die Instandhaltung über Jahre vernachlässigt, kommt es einen hinterher immer teurer", betonte die SPD-Fraktionsvorsitzende Roswitha Blind: Angesichts der vielen anderen Baustellen in der Landeshauptstadt - speziell auch bei Schulen und Kindergärten -, müsse man mit "mehr Fingerspitzengefühl und Verstand" vorgehen.

Langfristige Sanierung der Infrastruktur.

Die Zustimmung der Grünen, aus der Deckungsreserve der Stadt 1,6 Millionen Euro bereitzustellen, erfolgte nur unter dem Vorbehalt, sich "auf die dringlichsten Maßnahmen zu beschränken", so Peter Pätzold. "Wir sehen noch wesentlich mehr Sanierungsbedarf, der finanziert werden muss - Geld ist aber ein endlicher Faktor." Die Straßen im Stadtgebiet stünden lediglich in einer langen Reihe anderer Vorhaben. "Die Sanierung unserer Infrastruktur wird uns die nächsten Jahrzehnte beschäftigen", so Pätzold.

 Technikbürgermeister Thürnau warnte vor immer gravierenderen Schäden, sollte für die Erhaltung von Straßen, Gehwegen und Treppen auch weiterhin nur der gekürzte Investitionsetat zur Verfügung stehen. Im Rahmen der Sparpolitik der Stadt waren die Gelder für die Unterhaltung der Bauwerke auf jährlich knapp 6,5 Millionen Euro reduziert worden, erforderlich wären aber rund zehn Millionen pro Jahr, so Thürnau. Aktuell stünden dem Tiefbauamt lediglich 44 Cent pro Quadratmeter Straße zur Verfügung, man brauche aber mindestens durchschnittlich 75 Cent an Unterhaltungsmitteln. Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen empfehle sogar, zur Verminderung des fortschreitenden Substanzverlustes 1,30 Euro pro Quadratmeter Straßenfläche zu investieren. - Der Ansatz, mit einem um zwei Millionen Euro gekürzten Etat auszukommen, funktioniere nicht, so Thürnau. "Dann ist zu erwarten, dass sich der Substanz- und Werteverlust des Straßenvermögens fortsetzt."

Das Tiefbauamt schlage daher vor, die Haushaltskürzungen in diesem Bereich zurückzunehmen und zusätzlich 1,5 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung zu stellen, so Thürnau. Mit einem jährlichen Budget von zehn Millionen Euro für die Straßenerhaltung und -erneuerung könnte der Sanierungsstau in den nächsten zehn bis 15Jahren aufgearbeitet werden.