Der miese Versicherungsangestellte Stromberg ist eine Lichtgestalt des deutschen Fernsehens. Die Serie hat Millionen Fans. Was aber hat der von den Fans finanzierte Kinoableger „Stromberg – Der Film“ zu bieten?

Stuttgart - Strombergs Erfolg macht sprachlos. Nicht, weil diese Gestalt und die TV-Serie, der sie ihren Namen leiht, keine Aufmerksamkeit verdient hätte. Stromberg ist eine spannende Figur, die Serie schwankt zwischen dem Hoch des Brillanten und dem Tief des allemal noch Vergnüglichen. Aber die erste Staffel „Stromberg“ ging bei Pro Sieben Ende 2004 auf Sendung. Vier weitere folgten, Strombergs Bürowelt scheint auserzählt, der Kerl und seine Charakterschäden durchinterpretiert zu sein: Heuchler, Großmaul, Bluffer, nach unten tretender Nach-oben-Buckler.

 

Man liebt ihn oder hasst ihn, kann nicht genug kriegen vom soziologisch genau erfassten Büromief oder hat ihn längst dicke, man findet um die kleinen und großen Krisen rund um Kantinenpläne und Arbeitsabläufe in der Capitol-Lebensversicherung faszinierend abscheulich oder abscheulich monoton. Und jetzt auch noch eine Kinovariante, „Stromberg – Der Film“?

Der fallenreichste Weg, sich aus der Sprachlosigkeit nach fünf Staffeln Stromberg herauszuschleichen, wäre wohl der, die von Christoph Maria Herbst gespielte Figur fortlaufend zu zitieren. Das wäre zwar gruslig lustig, aber es könnte dem Missverständnis Vorschub leisten, Ralf Husmann, der Showrunner von „Stromberg“ sei bloß eine Gagmaschine, die politisch gern mal Unkorrektes in knappen Sentenzen ausstößt, die gut auf Bürotassen passen: „Arbeit macht Arbeit, darum heißt sie ja so“, „Büro ist wie Krieg“ oder „Behinderte sind praktisch auch Menschen“.

Der Film kam durch Crowdfunding zusammen

Dass die Fans von Stromberg die Figur ganz und gar nicht für auserzählt halten, zeigt die Entstehungsgeschichte von „Stromberg – Der Film“. Der ist nämlich kein Resultat der deutschen Todesformel „Soundsoviel Filmförderungen plus soundsoviel Fernsehsender“, sondern ein Ergebnis von Crowdfunding. Die Produktionsfirma Brainpool hatte gerufen, die Fangemeinde prompt gezahlt: der Autor Ralf Husmann und der Regisseur Arne Feldhusen konnten nun frei von Bedenkenträgern arbeiten.

In „Stromberg – Der Film“ holen sie den titelgebenden Abteilungsleiter und seine von Neurosen, Tranigkeit, Ticks, Marotten, Gefühlskrisen, Unverträglichkeiten, Sentimentalitäten und Frustrationen geprägte Mannschaft heraus aus dem computerbestückten Kunstlichtzwinger. Die Belegschaft geht auf Betriebsausflug zur Jubiläumsfeier ihres Arbeitgebers.

Das ist ein simpler, aber effektiver Weg, frischen Wind in die Stromberg-Welt zu bringen. Schon lange hatte Husmann in der Serie ja Schwierigkeiten, den Verbleib des tausendmal entlarvten, blamierten, auf der Chefetage verhasst gewordenen Stromberg in der Firma zu erklären. Auch die grundsätzliche Erzählkonstruktion – ein Dokumentarfilmteam beobachtet das Büroleben – war absurd geworden. Außer dem eitlen Stromberg selbst hätte niemand mehr die Kamera geduldet. Ein Element der Fantastik prägte das „Stromberg“-Vergnügen, wir mussten etwas Unglaubwürdiges akzeptieren, um noch einmal Eintritt in diese Welt zu finden.

Die Reibereien gehen mit auf die Reise

Der Betriebsausflug holt die Figuren aus ihrer gewohnten Umgebung. Ihre menschlichen Verknüpfungen und Reibebereien nehmen sie mit, aber die Einträge in ihren Personalakten bleiben zurück. Was jedoch nicht der einzige Sinn und Zweck dieser Reise ist, in der Stromberg in der üblichen verheerenden Selbstüberschätzung Streit mit dem übermüdeten Busfahrer bekommt und das schwere Gefährt dann selbst zu lenken versucht. Husmann bringt die Dinge auf mehreren Ebenen in Bewegung.

Die große Rationalisierungswut, mit der „Stromberg“ – das damals noch dem britischen Vorbild „The Office“ folgte – 2004 begann, schäumt nun wieder auf. Es geht nicht mehr ums Schicksal einzelner Figuren, alle um Stromberg sind bereits Abgeschriebene und wissen es noch nicht. „Der Papa“ aber, wie er sich geschmacklos nennt, bekommt Wind von der Sache, versucht, wie üblich, sich selbst auf Kosten anderer zu retten, und schwingt sich dann, als das scheitert, opportunistisch Missgeschicke in Taktiken ummünzend, zum Anführer des sozialen Protests auf.

Die Nadelstreifenträger werden noch unsympathischer

Die Serie „Stromberg“ schien zuletzt vom einem unerschütterlichen Bürosystem der unproduktiven Tätigkeitssimulation bei vollen Bezügen zu erzählen. Nun wird wieder klar, wie erschütterbar, wie wenig Schutz bietend dieses System ist: die Realität der deutschen Arbeitswelt macht sich bemerkbar. Dass die Capitol-Belegschaft nun aus ihrem Stammgebäude herauskommt, ermöglicht, dass sie und die Kamera neue Perspektiven auf die Ungleichheit von Oben und Unten gewinnen. Die Nadelstreifenträger aus den oberen Stockwerken der Capitol schienen immerhin noch Angestellte, wenn auch höherrangige, derselben Firma. Nun begegnet Stromberg Krisengewinnlern, die ein völlig anderes Leben führen als die schon weggeplanten, die dreist und dekadent Edelhurenabende auf Betriebskosten feiern, also spätrömische Führungsdekadenz leben. „Stromberg – Der Film“ wird phasenweise zur – gelungen bissfreudigen – linken Satire. Dass sie nicht parteipolitisch wird, liegt an Stromberg, der mit seiner Windigkeit auch Kapitalismuskritik als Karrieremodell entlarvt.

„Stromberg – Der Film“ ist also nicht nur erwartbar amüsant, sondern unerwartet habhaft – ein Lob, dem nun noch der obligatorische, aber hochverdiente Kniefall vor der Kooperation von Husmann und Christoph Maria Herbst zu folgen hat. Der ist im Lauern und Vergaloppieren, im Protzen und Ducken, im Aufschneiden und Beschwichtigen, im Aufblitzen von Menschlicher Verletzbarkeit und der Bereitschaft, zu verletzen, wieder mal das Nächstbeste zu einer großen Shakespeare-Figur, das wir in unseren Tagen erwarten dürfen.