Eine baden-württembergische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das „Waldbaden“ nachweisbar positive Effekte auf das Wohlbefinden hat. Einige Schwarzwaldgemeinden wollen ihr Angebot ausbauen – ohne einem Trend hinterherzuhecheln.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Bad Peterstal-Griesbach - Viele Menschen winken ab, wenn man ihnen mit Waldbaden kommt: Sie halten diese trendige Form des Walderlebens für eine Mogelpackung oder gleich für esoterischen Schnickschnack. Denn dass das Spazierengehen im Wald gut tut, ist eine Binsenweisheit – die Luft ist sauber, man bewegt sich, und die schöne Umgebung hellt den Geist auf. Aber muss man jetzt aus dem Selbstverständlichen gleich wieder eine Wissenschaft machen, fragen sich viele.

 

Auch Meinrad Baumann, der Bürgermeister von Bad Peterstal-Griesbach im Schwarzwald, hat sich diese Frage gestellt. Denn so gut das Waldbaden zu seinem Kurort im Schwarzwald, zum touristischen Konzept und zu den 82,8 Prozent Waldanteil an der Gemeindefläche passen würde: „Wir wollen nur anbieten, was echt ist“, sagt er. Deshalb renne man nicht blind einem Hype hinterher, sondern wolle naturwissenschaftliche Fakten. Und deshalb bemühte sich Bad Peterstal-Griesbach, eine Studie auf die Beine zu stellen, an der die Universitäten Tübingen und Freiburg sowie die Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg beteiligt waren. Auch der Heilbäderverband und das Land sind dabei. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.

Weniger Stresshormone, mehr Entspannung

Eine wichtige Erkenntnis sprach Ahmed A. Karim, Psychologieprofessor an der Tübinger Uni, bei der Präsentation im Kurhaus von Bad Peterstal-Griesbach aus. Wenn jemand Sorgen habe oder in einer depressiven Stimmung sei, bringe es wenig bis gar nichts, durch den Wald zu marschieren – denn meist grüble man im grünen Tann einfach weiter vor sich hin. Das Entscheidende am Waldbaden sei, innezuhalten: Der Begriff ‚Achtsamkeit’ fällt viele Male im Kurhaus. Es gehe darum, sagt auch die „Waldbademeisterin“ Anna Karina Cassinelli Vulcano aus Freudenstadt, den Wald bewusst und mit allen Sinnen zu erleben: das Licht wahrzunehmen, das durch die Zweige fällt; das Rauschen des Baches und das Zwitschern der Vögel zu hören; und ja, auch mit der Hand über die Rinde einer Eiche zu streichen. Zudem seien Atemübungen oder kurze Meditationen sinnvoll. Und wer unbedingt mag, darf auch einen Baum umarmen.

Untersuchungen in Japan, wo das Waldbaden seinen Ursprung hat, weisen schon lange auf gesundheitliche Effekte hin. Bei den 24 Probanden der ersten baden-württembergischen Studie haben nun Achtsamkeitsübungen im Wald klar zu einer Verminderung des Stresshormons Cortisol geführt. Gleichzeitig wurde das parasympathische Nervensystem aktiviert, das für innere Ruhe und Entspannung sorgt. Zum Vergleich wurden alle Übungen in Innenräumen wiederholt – die Effekte auf den Körper waren deutlich geringer. Interessant: Stress wurde besser im Nadelwald abgebaut; im Mischwald war dafür die Entspannung größer.

Alle Probanden wurden von Monika Bachinger, Professorin in Rottenburg, zudem nach ihrem subjektiven Wohlbefinden befragt. Der Mischwald hatte dabei die gefühlt höchste Erholungsfunktion. Jürgen Kreuzwieser von der Uni Freiburg hat darüber hinaus die Konzentration der sogenannten Terpene gemessen; diese Gase kommen in winzigen Mengen im Wald vor, sollen aber einen großen Einfluss auf den therapeutischen Nutzen von „Dr. Wald“ haben. Überraschendes Ergebnis: Am meisten Terpene wurden gemessen, wenn man Fichtenzweige in ein Zimmer gelegt hat. Auch in Innenräumen – etwa an Kliniken – könnte „Indoor-Waldbaden“ also etwa für bettlägerige Patienten nützlich sein.

Das Vertrackte mit dem Waldbaden ist nun zweierlei. Erstens sind Mogelpackungen tatsächlich nicht ganz auszuschließen. Denn es gibt handfeste wirtschaftliche Interessen, und nicht alle sind womöglich so genau und streng bei der Auswahl der Angebote wie Axel Singer, der Tourismuschef von Bad Peterstal-Griesbach. Er räumt ein: „Es gibt einen Wildwuchs auch im Südwesten; deshalb war für uns die Studie so wichtig.“ Zweitens gibt es noch keine Regeln für Inhalt und Ausbildung des Waldbadens. Im Prinzip kann jeder Führungen und Kurse anbieten. Beides erschwert es, das Waldbaden auf seriöse Grundfeste zu stellen.

Derzeit gibt es noch keine verbindlichen Regeln

Schömberg im Landkreis Calw ist dabei offenbar am weitesten im Südwesten: Mit wissenschaftlicher Unterstützung durch die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg plant man dort bis Ende 2020 den ersten „Heilweg“ im Südwesten. Es seien hohe rechtliche und inhaltliche Hürden zu nehmen, so Marina Moser, die Leiterin der Touristik in Schömberg. Vorbild ist der „Kur- und Heilwald“ bei Heringsdorf in Mecklenburg-Vorpommern, der erste seiner Art in Deutschland. Gemeinsam mit der örtlichen Klinik will man in Schömberg den Weg zu therapeutischen Zwecken nutzen. Medizinische Indikationen könnten sein: Erkrankungen der Atemwege, der Haut und des Bewegungsapparates, aber auch psychosomatische Erkrankungen wie Burnout, Schlaflosigkeit oder Depression. Auch in der Landesregierung sieht man im Waldbaden ein „großes Potenzial für ganze Regionen“, hieß es jüngst in einer Stellungnahme des Forstministers Peter Hauk. Auch im Tourismuskonzept von Minister Guido Wolf gilt Waldbaden als Leuchtturmprojekt.

Tourismus setzt große Hoffnungen auf das Waldbaden

In Bad Peterstal-Griesbach will man sich die Studie erst näher ansehen, bevor man über weitere Schritte entscheidet. Klar ist für Axel Singer, dass man keine bombastische Marketingstrategie daran aufhängen will – das passe nicht zu ihnen. Top-Attraktion sind sowieso die Premiumwanderwege: Bad Peterstal-Griesbach ist der bundesweit erste „Premium-Wanderort“. Von Mai an bietet Anna Karina Cassinelli Vulcano dann wieder ihr Waldbaden an: „Jede Führung ist anders, je nach Wetter, Jahreszeit und Teilnehmern – Waldbaden kann man nicht planen.“