Nach Einschätzungen von Experten könnte Stuttgart ein regelrechter Unwetter-Sommer ins Haus stehen. Meteorologen warnen vor „extremen Wetterlagen“ im Juli und August. Wir erklären, was dahinter steckt.

Digital Desk: Jonas Schöll (jo)

Stuttgart - Regen, Regen und noch mal Regen – zumindest gefühlt nimmt der Sommer in Stuttgart in diesen Tagen nicht so richtig Fahrt auf. So müssen sich die Menschen in der Region auch in der neuen Woche auf Unwetter einstellen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnet damit, dass in der Schwaben-Metropole vor allem am Dienstag und am Donnerstag wieder Schauer und Gewitter niedergehen – auch drohen Starkregen, schwere Sturmböen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 90 Kilometern und dicke Hagelkörner, die einen Durchmesser von bis zu zwei Zentimetern erreichen können, wie DWD-Experte Peter Crouse am Montag in Stuttgart berichtet. In kurzer Zeit könnten wieder Wassermassen von bis zu 25 Litern pro Quadratmeter auf die baden-württembergische Landeshauptstadt niederprasseln. Und auch die Aussichten für den Rest des Sommers machen wenig Hoffnung: Meteorologen warnen gar vor einem regelrechten „Unwetter-Sommer“.

 

Warum regnet es 2021 so ungewöhnlich viel?

Wetterexperte Crouse erklärt, warum es in Stuttgart gerade so ungewöhnlich viel regnet. „Wir erwarten zu dieser Jahreszeit normalerweise ruhigeres Hochdruckwetter“, bestätigt der Wetterfrosch. Aber: „Derzeit stehen wir im Einflussraum eines großen Tiefdruckgebietes über West-Europa und dem Atlantik.“ Diese große Kaltfront in der höheren Atmosphäre bestehe bereits seit Anfang Juni und sei der Ausgangspunkt für viele kleinere Tiefs, die nach und nach durch das Land ziehen und Unwetter mitbringen, erklärt Crouse. „Das ist ungewöhnlich und ziemlich rar. Dieses Tief beeinflusst unser Wetter bis in den Hochsommer hinein. Normalerweise bekommen wir ab Ende Juni deutlich mehr Hochdruck-Wetterlagen.“ Erst ab Freitag ziehe die Regenfront dann nach Osten ab – ehe uns im Laufe des Sonntags bereits ein neues Tief erreichen soll.

Der Sommer lässt uns im Regen stehen

„Der Sommer 2021 ist für die Meteorologen schon mehr als einen Monat alt und bisher zeigte er sich sehr wechselhaft mit kurzen heißen Phasen, die meist aber schnell wieder von teils kräftigen Schauern und Gewittern abgelöst wurden“, bilanziert Diplom-Meteorologe Simon Trippler am Montag auf der Homepage des Deutschen Wetterdienstes. Demnach habe es bislang kaum längere Hochdruckphasen gegeben – dafür aber lokal sehr hohe Regenmengen, Hagel, Sturmböen und sogar orkanartige Böen. In den nächsten drei bis vier Wochen könnte diese Wetterlagen dominieren, „womit uns weiterhin kurze heiße Phasen mit nachfolgend kräftigen Schauern und Gewittern samt lokalen Unwettern und Abkühlung ins Haus stehen würden“, schildert Trippler. Dass diese Großwetterlagen anhalten könnten, suggerierten auch die aktuellen Mittelfristvorhersagen des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (EZMW).

Warnung vor einem „Unwetter-Sommer“

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen auch die Wetterfrösche auf dem Portal „Wetter.de“. Dort heißt es in einem Beitrag vom Sonntag: „Hochsommer mit tagelangem ungetrübten Sonnenschein? Das ist derzeit nicht in Sicht – nicht einmal für die Hundstage am Anfang vom August.“ Düster sind die Prognosen besonders für den Süden Deutschlands: „Der Blick auf die nächsten Wochen verheißt nicht wirklich viel Gutes. Denn der Sommer könnte im Süden zu einem richtigen Unwetter-Sommer werden.“ Wiederholt schlagen demnach die Niederschlagsprognosen nach oben aus, die Temperaturkurve macht etliche Sprünge. „Das könnte auf einige extreme Wetterlagen im Juli und im August hinauslaufen“, heißt es auf dem Portal.

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Meteorologe: Extreme Wetterbedingungen nehmen zu

Sturzbachartige Regenfälle, überflutete Keller, weggeschwemmte Autos – in den vergangenen Tagen waren wiederholt Unwetter über Baden-Württemberg hinweggezogen und hatten hohen Schaden verursacht. Besonders betroffen waren der Großraum Stuttgart und die Kreise Reutlingen und Calw. Wetterexperten warnen nun vor häufigeren Unwettern dieser Größenordnung. Ob in Kanada oder auch Deutschland: Wir müssen uns auf deutlich extremere Wetterbedingungen einstellen, sagte der Meteorologe Andreas Friedrich im Interview mit unserer Zeitung. Ein Blick auf die Wetterdaten der letzten 20 Jahre offenbare: „Gewitter und Starkregen nehmen zu und werden auch heftiger.“ Das passe zur Entwicklung in der Atmosphäre. Auch in den höheren Luftschichten sei es wärmer, deshalb werde dort mehr Feuchtigkeit gespeichert – weshalb auch mehr Regen falle. „All dies ist schlüssig, denn die Klimaerwärmung ist in den letzten 20 Jahren auf die Überholspur gegangen“, bilanziert der Meteorologe.