Das Landgericht verurteilt einen Ditzinger zu 13 Jahren Haft, weil er seine Bekannte fast getötet hat. Für den Vorsitzenden Richter war es ein heimtückischer Mordversuch.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Stuttgart - Für den Vorsitzenden Richter war es ein heimtückischer Mordversuch: Sein Opfer sei völlig überrascht und wehrlos gewesen, als der Angeklagte an der Wohnungstüre der Frau in Sindelfingen klopfte, erklärte er. Sie öffnete und kurz darauf schoss ihr der Angeklagte aus einer Entfernung von zehn bis 20 Zentimetern in den Bauch. Der 49-Jährige ist deshalb am Mittwoch vor dem Stuttgarter Landgericht zu einer Haftstrafe von 13 Jahren verurteilt worden. Weil das Opfer überlebte, blieb ihm das Urteil lebenslang erspart. Das Leben der 40-Jährigen „hing zwar am seidenen Faden“, erläuterte der Richter. Auch habe der Täter eine erhebliche kriminelle Energie gezeigt. Aber er war geständig, ist nicht vorbestraft und nach Ansicht des Richters durch das Verhalten des Opfers zu der Tat motiviert worden. Die Frau habe „ihn ausgenutzt und sicherlich mit ihm gespielt“.

 

Bei der Arbeit kennengelernt

Im Jahr 2014 hatten sich der Angeklagte, der in Ditzingen wohnt, und die Frau in einem Brautmodengeschäft kennen gelernt. Sie arbeitete dort als Verkäuferin, er als Reinigungskraft. „Er warb um sie, ihr kam dies gelegen“, beschrieb der Richter das Verhältnis, das nie intim wurde. Der 49-Jährige zahlte Restaurantrechnungen, strich Wände in ihrer Wohnung, verlegte ihr einen Fußboden, kaufte ein Sofa, gab ihr Fahrunterricht für die Führerscheinprüfung. Er schenkte ihr eine Kette und überwies Geld an ihre kranke Mutter in der Türkei. Er kaufte ihr ein Flugticket für einen Urlaub in der Heimat und überwies noch mehr Geld. Rund 4000 Euro sollen es insgesamt gewesen sein. Sie verschwieg ihm, dass sie seit Jahren einen Liebhaber hatte, den sie dann in den Ferien in der Türkei traf. Eine Bekannte berichtete dem Angeklagten schließlich von der Beziehung. Es kam zum Streit und im vergangene Oktober brach der Kontakt zwischen ihm und der 40-Jährigen ab – bis er am 16. Januar plötzlich vor ihrer Türe stand.

Vor den Plädoyers verlas der Verteidiger noch eine Erklärung seines Mandanten. „Er fühlte sich betrogen“, gab er als Motiv für die Tat an. Die Bekannte habe ihn vorgeführt und ausgenutzt, insbesondere finanziell. Sie habe auch keine Anstrengungen unternommen, das Geld zurückzubezahlen. Deshalb habe der Mann den Entschluss gefasst, sie zur Rede zu stellen. Um sie einzuschüchtern, nahm er die Pistole mit. Vor der Wohnungstüre soll es seiner Version nach zu einem Streitgespräch gekommen sein. Wie solle jemand so eine Person wie ihn ernst nehmen oder mögen, hat die Bekannte ihn dabei angeblich spöttisch gefragt. Im Erregungszustand dieser Kränkung will er abgedrückt haben. Daran erinnern könne er sich allerdings nicht. Sein Mandant habe aber zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, die Frau zu töten,erklärte der Anwalt.

Richter: Er war gekränkt und wütend

„Er war gekränkt und wütend“, erkannte auch der Vorsitzende Richter die Gefühlslage des Angeklagten an. Aber genau deshalb habe der 49-Jährige dann den Entschluss gefasst, die Frau zu erschießen. Dieses Vorhaben habe er konsequent durchgezogen, zeigte sich der Richter überzeugt. Die Strafkammer verhängte ein härteres Urteil als es die Staatsanwaltschaft mit einer Haftstrafe von zehn Jahren gefordert hatte. Der Anwalt der Bekannten, die in dem Verfahren als Nebenklägerin aufgetreten war, hielt dagegen eine Haftstrafe von 14 Jahren für angemessen. „Der Angeklagte hat das Leben dieser Frau zerstört“, sagte er. Es könne nicht sein, dass ein eine solch lächerliche Summe zu so einer Tat führe.

Der Verteidiger plädierte auf gefährliche Körperverletzung mit einem Strafmaß von sechs Jahren. Sein Mandant habe die Frau nur zur Rede, ihr vielleicht auch einen Denkzettel verpassen wollen. Als Spontantat nach dem Streitgespräch bezeichnete er den Schuss. Für den Richter waren diese Schilderungen jedoch nicht glaubhaft. Die Nachbarn hatten keinen Wortwechsel gehört. „Kennst du mich noch?“, soll der 49-Jährige lediglich gefragt haben, bevor er abdrückte. Nach der Tat flüchtete er, ging in ein Café in Stuttgart und trank Tee. „Der Angeklagte wollte Herrscher über Leben und Tod“ der Frau sein, sagte der Richter.