Gabriele Frenzel und Timo Steinhauer feiern die letzte große Premiere am Stammplatz des Friedrichsbau Varietés. Die beiden Geschäftsführer freuen sich auf die neue Spielstätte am Pragsattel.

Lokales: Matthias Ring (mri)
Stuttgart – - Eine Feier zum Abschied: „20 – Die Geburtstagshow“ heißt die letzte Eigenproduktion in der alten Spielstätte des Friedrichsbau Varietés, die heute Premiere hat. 2013 hatte es lange Zeit so ausgesehen, dass diese generell eine der letzten hätte sein können. Doch seit der Gemeinderat eine Förderung beschlossen hat, gibt es eine Zukunft: in einem Holzbau am Pragsattel. Im Interview sprechen die Varieté-Geschäftsführer Gabriele Frenzel und Timo Steinhauer über ihre Pläne.
Frau Frenzel, Herr Steinhauer, eigentlich wären 20 Jahre Friedrichsbau Varieté ein Anlass zurückzublicken. Doch jetzt müssen wir nach vorne schauen. Ihnen drohte das Aus, inzwischen haben Sie die volle Rückendeckung der Stadt. Haben Sie nach dem langen Hin und Her noch darauf vertraut?
Frenzel Zwischenzeitlich haben wir schon gedacht: Das war’s jetzt. Erst war ja das Zelt in Planung, das ging aus Lärmschutzgründen nicht. Dann haben wir der Stadt einen Holzbau präsentiert, das stieß auf gute Resonanz. Herr Föll und Frau Eisenmann haben uns sehr unterstützt, dafür sind wir überaus dankbar. Aber die offizielle Zusage haben wir erst am 5. Dezember bekommen. Das war schon sehr knapp.
Steinhauer Es war wirklich ein Hoch und Runter das ganze Jahr über, aber aufgegeben haben wir nie, weil einfach zu viel Herzblut drinsteckt. Auch aus dem Publikum kamen immer wieder Leute und sagten, es sei unvorstellbar, dass das Varieté schließt. Das waren die Momente, in denen wir gesagt haben, das Varieté ist gewollt. Jetzt steht die Stadt hinter uns – aber wir haben auch noch viel vor uns.
Es gab kritische Stimmen, die gefragt haben, ob es Aufgabe der Stadt sein könne, einen privaten Unterhaltungsbetrieb zu fördern.
Frenzel Das können wir schon nachzuvollziehen, aber manchen Kritikern fehlt das Hintergrundwissen. Die Deutsche Entertainment AG hat uns in den letzten Jahren als Mutterkonzern zwar noch den Rücken frei gehalten, aber wir sind schon lange nicht mehr in dem Segment, in dem die AG hauptsächlich aktiv ist. Und der Sponsoringbetrag der L-Bank hat sich in den 20 Jahren nie verändert. Profit haben wir schon lange keinen mehr abgeworfen.
Weswegen Sie jetzt gemeinnützig sind . . .
Steinhauer Der Gedanke, dass wir eine gemeinnützige GmbH werden, war schon da, bevor klar war, dass wir Hilfe für einen Neubau benötigen. Wir müssen schauen, dass wir auf eigenen Beinen stehen können und uns für Spender attraktiver machen. Und wir sind seit Jahren so viel im sozialen Bereich aktiv, durch Förderung von jungen Artisten, Zusammenarbeit mit Stuttgarter Jugendhäusern oder Schulprojekten, dass dies im Sinne einer Gemeinnützigkeit ist.
Aber Sie sind zum Erfolg verdammt. Sie haben einen Millionenkredit aufgenommen, für den die Stadt bürgt, Sie bekommen einen Zuschuss und das Grundstück am Pragsattel für fünf Jahre mietfrei überlassen. Man spricht von Vertrauensvorschuss – die Erwartungen und die Belastungen sind hoch.
Steinhauer Da sind wir hoch motiviert und gut aufgestellt. Allerdings ist wichtig, dass man nach der langen Unsicherheit mitbekommt, das Friedrichsbau Varieté existiert weiterhin. Mit der Geburtstagsshow können wir Jubiläum und Neustart zugleich feiern. Und wir gehen davon aus, dass die neue Spielstätte gut angenommen wird.
Dort wird alles größer, höher, schöner?
Frenzel Nicht alles: die Bühne wird höher, das Foyer größer und schöner, der Gastronomiebereich natürlich auch, aber der Saal wird die gleiche Quadratmeterzahl haben.
Also wird es auch nicht mehr geben als die aktuell 369 Sitzplätze?
Steinhauer Jein. Wir heißen nicht ohne Grund Friedrichsbau Varieté Theater gGmbh. Wir werden 300 Sitzplätze für den Varietébetrieb haben, das passt ganz gut zur regulären Auslastung, und bei mehr als 300 wäre auch die Gema-Gebühr deutlich höher. Aber für manche Veranstaltungen planen wir mehr Sitzplätze ein, denn wir möchten uns als Theater für andere öffnen. Es gibt in Stuttgart zu wenig Spielraum. Und wenn wir einerseits die Möglichkeit haben, dass sich 200 Leute nicht verloren fühlen, aber andererseits auch 400 reinpassen, freuen wir uns auf die Vorteile der neuen Spielstätte.
Könnte der Wechsel von der 1A-Lage in der Innenstadt raus auf den Pragsattel nicht ein Nachteil sein?
Steinhauer Durch das Theaterhaus ist dieser Kulturstandort bestens etabliert. Außerdem gibt es neben denen, die aus der Stadt rausfahren müssen, auch jene von außerhalb, die sagen: Ich fahr erst gar nicht in die City rein, weil mir das zu stressig ist. Wir freuen uns auf den Umzug, weil wir die Chance haben, uns neu zu erfinden und es schön und gemütlich zu gestalten. Nach 20 Jahren in der Rotunde der L-Bank können wir jetzt ein richtiges Varieté bauen.
Für ein Leben vor und nach der Vorstellung ist das Gastronomiekonzept wichtig. Was können Sie dazu sagen?
Steinhauer Es wird im Foyer eine Bar geben und einen abgetrennten Bereich, in dem man sich kulinarisch verwöhnen lassen kann. Der Theatersaal wird um einiges größere Tische haben, damit man während der Vorstellung komfortabler speisen kann. Man wird die Show mit Menü buchen können, aber eine Speisekarte mit einem sehr hochwertigen Angebot gibt es auch.
Haben Sie schon einen Betreiber?
Frenzel Wir sind in intensiven Gesprächen, und die Interessenten wollen auch wirklich – aber noch nicht genannt werden.
Eine Holzkonstruktion mit hochwertiger Gastronomie – das klingt ein bisschen nach Palazzo. Ist das jetzt eine Kampfansage?
Frenzel Nein! Wir wollen auf keinen Fall eine Show, die drei Stunden dauert. Das finde ich sehr ermüdend. Und wir wollen die Leute nicht zwangsverköstigen. Wir wollen das ganz klassisch machen wie die ursprünglichen Varietés, in denen die Leute entscheiden können, ob sie was essen oder nicht. Im Übrigen müssen wir die Gastronomie verpachten, weil das nicht zur Gemeinnützigkeit gehört.
Und damit Ihnen keiner vorwerfen kann, dass Gewinn mit einer überteuerten Gastronomie erwirtschaftet wird.
Steinhauer Unsere Preise sind ganz knapp kalkuliert. Unsere teuersten Karten in der besten Kategorie kosten 47 Euro, so wird das auch bleiben. Dann kann man vielleicht 30 Euro für ein Menü dazurechnen, aber bei uns ist das Wichtigste die Show. Wir möchten das Varieté-Erlebnis erhalten.
Wie ist der Zeitplan? Im Mai fällt der letzte Vorhang in der alten Spielstätte, dann . . .
Frenzel . . . packen wir ein und schauen, wie weit unsere Architekten da oben sind. Wenn unser Plan aufgeht, können wir im September die Eröffnung feiern.
Steinhauer Als erstes muss die Stadt den Platz herrichten, dann müssen noch viele Genehmigungen durch. Besser werden wir das im Frühjahr einschätzen können.
Trotz aller Aufbruchstimmung: Stellt sich langsam schon Wehmut ein, die alte Spielstätte aufgeben zu müssen?
Frenzel Letztes Jahr war ich am Boden zerstört. Jetzt kann ich froh Abschied nehmen, weil wir uns verändern können. Ich kann natürlich unendlich viele Geschichten erzählen, was die 20 Jahre hier alles passiert ist: lustige und auch tragische Sachen, Geburten, der letzte Auftritt von Künstlern, die kurz darauf gestorben sind . . . Aber ich brauche mich nicht mehr mit dem alten Standort auseinanderzusetzen, sondern das ist mein Leben mit dem Varieté.